Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein wildes Herz

Ein wildes Herz

Titel: Ein wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
Vom Netzwerk:
Anhieb, und schon bald tollten die beiden auf dem Boden der Veranda herum. »Sei nicht grob, Sam«, sagte Charlie leise. »Er ist nur ein Baby.«
    Alle spielten mit dem kleinen Hund, bis es für Sam Zeit war, ins Bett zu gehen. Am nächsten Morgen war der Junge schon vor dem Frühstück, fast noch vor Tagesanbruch, zurück, Charlie holte sich einen Kaffee auf die Veranda, und er und Sam suchten einen Namen für den Hund. Charlie hatte die ganze Nacht darüber nachgedacht.
    »Sam, ich kann mir zwei Möglichkeiten denken. Wir könnten ihn Popeye nennen. Du weißt schon, wie der aus den Comics. Das ist irgendwie nett. Oder wir nennen ihn Jackie Robinson.« Sam war vor ein paar Wochen voller Ehrfurcht gewesen, als Jackie Robinson einen Homerun, einen Triple, einen Double und einen Single geschafft hatte, und das alles in einem Spiel.
    Sam schaute dem Hund ins Auge. »Jackie Robinson!«, rief er, und der kleine Hund legte den Kopf schief, als er es hörte. »Siehst du? Siehst du, Beebo? Er weiß schon, wie er heißt.«
    Charlie lachte, und die Sache war erledigt. Charlie nahm den Hund jeden Tag mit in die Arbeit. Genau genommen war es eigentlich nicht erlaubt, einen Hund in eine Metzgerei mitzunehmen, aber es störte niemanden, und selbst Boaty Glass fand, dass es ein schöner Hund war.
    »Verrückter Name«, sagte er. »Einen Hund nach einem Nigger zu benennen. Könnte aber einen guten Jagdhund abgeben.«
    »Ich gehe nicht mit ihm auf die Jagd, Sir. Nicht mit diesem Hund.« Charlie schaute von seinem Schneidebrett auf.

    »Dann lassen Sie ihn besser nicht in die Nähe eines Hühnerstalls. Wenn diese Beagles erst mal Blut geleckt haben, können sie nicht mehr mit dem Reißen aufhören. Entweder bildet man sie für die Jagd aus  – oder man erschießt sie.«
    Nachdem er gegangen war und Will Boatys Einkäufe in sein Buch notierte, sagte er: »Boaty hat nicht viel übrig für weitere Haustiere. Er hat schon eins.«
    »Und was für eins?«, wollte Charlie wissen.
    »Seine Frau.«
    Als die kleine Sache mit dem Hund erledigt war, begab sich Charlie an sein großes Vorhaben. Das County war sechshundert Quadratmeilen groß und wurde von einer zweispurigen Asphaltstraße durchquert, die im Grunde von nirgendwo nach nirgendwo führte und nicht selten in absoluter Wildnis endete.
    Jeden Sonntagnachmittag stieg Charlie mit seinem Geldkoffer und dem Hund in seinen Pick-up und fuhr los. Die Straßen waren schmal und gewunden, auch nicht immer befestigt, doch er schaute sich das ganze County an, ohne ganz genau zu wissen, was er eigentlich suchte. Nur eins wusste er: Wenn er es sah, würde er es wissen.
    Er fuhr zum Goshen-Pass hinaus, am Maury River entlang und weiter, bis in die Stadt Goshen, wo die Eisenbahn durchfuhr. Er aß sein Mittagessen im Cozy Corners, einem Diner, wo man am Sonntag ein Bier bekam. Charlie trank gar kein Bier, doch er aß Schinkenbrötchen und schäkerte mit den Kellnerinnen, Mädchen, die in ihrem ganzen Leben noch nirgendwo gewesen waren, obwohl der Zug, der jeden Tag hier durchkam, nach Staunton fuhr und weiter, an Orte, von denen sie auf ihre mädchenhafte Weise träumten: New York und Chicago, große Städte, wo Mädchen wie sie in Büros
arbeiteten, Lippenstift trugen und auf der Straße rauchten. Doch sie wussten, dass sie es nie an einen dieser Orte schaffen würden, und waren damit auch zufrieden.
    Charlie fuhr nach Lexington, die Hauptstadt des Countys, nach Natural Bridge mit seinem alten Hotel, in dem berühmte Leute abstiegen und an kühlen Abenden auf der Veranda schaukelten, und nach Collierstown, wo das beste Rindfleisch herkam. In all diesen Städten stieg er kein einziges Mal aus seinem Wagen.
    Oft genug ertappte er sich dabei, wie er am Ende einer solchen Tour an Boaty Glass’ Haus vorbeifuhr, in der Hoffnung, sie im Garten zu sehen, und ein Mal erblickte er sie auch wirklich, drosselte seine Geschwindigkeit und kurbelte das Fenster herunter, doch ihm fiel einfach nichts ein, was er hätte sagen können. Sie drehte sich ein Mal um die eigene Achse, um ihm hinterherzuschauen, ließ ihre grünen Augen auf ihm ruhen, und vielleicht hörte sie ihn oder auch nicht, als er schließlich ein schüchternes »Hallo« von sich gab, ihr kurz zuwinkte, was sie nicht erwiderte, und dann weiterfuhr. Ich bin hier, wollte er ihr sagen und hätte es auch gesagt, wäre seine Kehle bei ihrem Anblick nicht so trocken geworden. Ich bin hier. Ich bin’s.
    Es war die Schönheit des Landes, die ihn in ihren

Weitere Kostenlose Bücher