Ein wildes Herz
Bann zog, und er fuhr, bis es dunkel wurde und kaum mehr Verkehr war, redete mit Jackie Robinson und erzählte ihm von dem, was er sah, vom funkelnden Fluss, den dicken Holzstapeln, die in Goshen auf den Zug warteten, der sie an all die Orte bringen würde, die die Mädchen im Diner nie besuchen würden. Ab und zu stoppte er den Pick-up am Straßenrand und stieg aus. Vielleicht hatte ein Feld mit Goldrute seine Aufmerksamkeit geweckt oder ein gelber Teppich über einer Teppichstange, der im Wind flatterte, ein Wäldchen
aus Kiefern oder Ahorn, oder eine kleine Quelle, deren Wasser so süß war, dass man es trinken konnte.
Er fuhr zu dem alten Hotel, wo die Versteigerung stattgefunden hatte und dessen Überreste nun sein eigenes Haus füllten, und ihm gefiel es, wie das Gebäude jetzt aussah, so verlassen und voller Wehmut und doch immer noch stolz, ein Haus, zur Zeit eines Krieges erbaut, der ein halbes Jahrhundert vor seiner Geburt zu Ende gewesen war, eines Krieges, der alles verändert hatte und von dem die Menschen immer noch redeten, als dauere er noch an. Ein Mal verschaffte er sich sogar Zugang zu dem Hotel, wanderte in den leeren Räumlichkeiten umher und stellte sich die Generäle und ihre Frauen vor, die früher hierher gekommen waren, um der Hitze in Richmond und Louisiana zu entfliehen, er sah die Wachposten vor sich, die nur bei Nacht in der kühlen Luft ein wenig entspannen konnten, und die Ladies in ihren langen Röcken, die kamen und gingen.
Dieses Land brach ihm das Herz, und das wurde an jeder Straßenbiegung schlimmer. Es war ein Gefühl, so intensiv, dass es ihn immer wieder von Neuem umhaute. Dieses Land war wild und sanft zugleich. Es war tröstlich, ein Balsam auf seiner Seele. Sweet Virginia.
Nach ein paar Wochen hatte er gelernt, das Land, das ihm bloß gefiel, von jenem zu unterscheiden, das wirklich sein Herz berührte, und wenn er dann tatsächlich etwas sah, das sein Herz in gewisser Weise höherschlagen ließ, stieg er aus, kletterte durch einen Stacheldrahtzaun oder wanderte einen Hügel hoch, und dann ließ er sich die Sonne ins Gesicht scheinen, der Wind pustete ihm die Haare aus der Stirn, Jackie Robinson lief schnüffelnd durch die Gegend, rannte wie verrückt im Kreis herum oder jagte wilde Truthähne,
und dann wusste Charlie, dass er dieses Stück Land einfach haben musste.
Manchmal zog er sich aus und legte sich mit seinem Hund aufs Feld oder in den Wald, und dann schlief er zehn Minuten, im Herzen einen Frieden, den er nie gekannt hatte.
All dieses Land zu kaufen, das er wollte, war nicht schwierig. Es gab viel Land, und es war nicht viel wert.
In dem Tagebuch, das er immer dabeihatte, schrieb er sich genau auf, wo das Land lag, er notierte sich die Nummer der Landstraße und merkte sich markante Punkte in der Landschaft. Manchmal war ein Bauernhaus in Sicht, wo er klopfte, um herauszufinden, ob er den rechtmäßigen Besitzer vor sich hatte, und dann einigte man sich auf einen Preis. Manchmal handelte es sich nur um zehn Morgen, manchmal auch um hundert, einmal sogar um fünfhundert.
Niemals bezahlte er weniger als achtzehn Dollar für den Morgen, und nie mehr als dreißig. Er bot einen guten, ehrlichen Preis und sorgte dafür, dass sich der Besitzer nie über den Tisch gezogen fühlte. Wenn man sich auf einen Preis geeinigt hatte, zählte er sorgfältig das Geld auf den Tisch, denn er bezahlte immer bar. »Das einzige Geld, das zählt«, pflegte er zu sagen, »ist Bargeld.«
Alles notierte er sich in seinem Büchlein, und manchmal zeichnete er noch eine grobe Karte dazu oder schilderte in wenigen Worten, was dieses Stück Land für ihn so besonders machte. Und es gab immer etwas an einem solchen Fleckchen Erde, das ihm das Herz weit aufgehen ließ.
Am Montagmorgen, wenn das Geschäft nach dem ersten Andrang etwas gemächlicher lief, ging er dann zu Bobby Hostetter, dem Anwalt, und sie brachten den Grundstückskauf unter Dach und Fach. Die Landbesitzer kamen in die Kanzlei, in ihrer besten Kleidung, die immer noch nach
Bleiche und heißem Bügeleisen roch, und dann wurden die Papiere aufgesetzt, damit sie später vor Gericht in Lexington ins Katasteramt eingetragen werden konnten.
Eines Tages fragte er Will: »Wem gehört hier in der Stadt das meiste Land?«
»Darüber hat noch nie jemand nachgedacht. Aber eigentlich müsste das Boaty Glass sein. Sie könnten es nachschauen.«
Alle wussten, was Charlie da tat. Landverkäufe wurden in der Rockbridge Gazette
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