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Ein wildes Herz

Ein wildes Herz

Titel: Ein wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goolrick
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eine wuchtige Pflanze, die vom Herbst und vom letzten Aufbäumen der Natur vor dem Winter kündete. Sie suchte sogar einen Platz auf der Veranda dafür aus, damit sie möglichst viel Licht abbekam, und riet Charlie, jeden Tag die abgestorbenen Blüten abzuzupfen, damit immer reichlich etwas nachwuchs. Im Licht des Spätnachmittags hängten sie die Schaukel auf die Veranda, während Alma in den Töpfen und Pfannen aus dem alten Hotel etwas zu essen machte.

    Als sie damit fertig waren, waren alle erschöpft vom vielen Schleppen in der Hitze, doch es war ein gutes Gefühl und die Mühen schnell vergessen. Man setzte sich an den dunklen Tisch im Speisezimmer und verzehrte das, was Alma gekocht hatte  – die erste Mahlzeit in Charlies neuem Haus.
    Nach dem Abendessen nahm Charlie mit seinen besten Freunden auf der Veranda Platz, überall in den Nachbarhäusern brannte Licht, und er beobachtete seine Nachbarn, so wie sie ihn beobachteten, und seine Stimme mischte sich unter die anderen Stimmen, während die Leute aus der Stadt über dies oder jenes plauderten oder auch mal stritten und die Kinder auf der menschenleeren Straße Fangen spielten.
    »Ich habe eine Frage«, sagte Will.
    »Schießen Sie los.« Charlie nippte an seinem Tee und wippte mit dem Fuß, während die anderen auf der Schaukel saßen und sich sanft hin und her wiegten.
    »Wie sind Sie Metzger geworden?«
    »Zufall, schätze ich. Ich hab nach der Schule in einem Krämerladen gearbeitet, als ich noch …«
    »Wo war das?«
    »Will.« Alma legte ihre Hand auf die seine. »Lass den Mann doch erzählen.«
    »Bei mir daheim. Ich war sechzehn. Ich habe an der Kasse beim Einpacken geholfen und so. Dann versetzte mich der Geschäftsführer an die Fleischtheke, das Letzte, was ich mir gewünscht hätte. Ich mochte Fleisch, aber ich wollte nichts mit seiner Produktion zu tun haben. Aber dann habe ich es doch gemacht. So war ich damals. Hab einfach das gemacht, was von mir verlangt wurde.
    Und irgendwann gefiel es mir. Ich dachte, wenn du Fleisch essen willst, kannst du auch gleich lernen, woher es kommt, und so habe ich alles gelernt, habe mir gemerkt, wie
man das Fleisch richtig schneidet. Ich lernte, wie man Tiere schlachtet, wie man vor dem Schlachten auf sie zugeht, damit sie einem vertrauen und keine Angst haben, weil sie sonst Stoffe entwickeln, die das Fleisch zäh machen.
    Bis ich dann zwanzig war, war ich der leitende Metzger in dem Laden. Einem großen Laden. Damals habe ich mir meine Messer gekauft. Haben eine Menge Geld gekostet, direkt aus Deutschland geliefert. Aber, um ehrlich zu sein, hatte ich es jetzt eine ganze Weile nicht mehr gemacht.«
    »Seit damals?«
    »Es ist allerhand passiert. Andere Dinge, mit denen ich nicht gerechnet hatte. Aber das ist wie Fahrradfahren. Wenn man es einmal richtig gelernt hat, dann vergisst man es nicht.«
    »Und jetzt lass es gut sein, Will«, beschwichtigte Alma ihren Mann. »Dring nicht so sehr in ihn.« Eine Weile saßen sie noch schweigend da und schaukelten, der weiße Rauch von Charlies Lucky Strike schwebte wie ein Geist in der Luft, und der Junge saß still und müde auf dem Schoß seiner Mutter. Es lag eine wunderbar schlichte ländliche Ruhe in der Luft, in der schimmernden Weichheit der dunklen Straße. Die Verandalichter brannten, und die letzten Falter des Sommers taumelten in ihrem hellen Lichtkreis, während die Nachbarn schaukelten und rauchten oder schliefen oder leise miteinander redeten.
    Als es ganz dunkel geworden war, tauchten über Charlies Garten die ersten Glühwürmchen auf, Fledermäuse zogen ihre Kreise und erkundeten die Höhlen in den Giebeln des Hauses und die dunklen, schweren Äste der Bäume. Charlie empfand eine seltsame Mischung aus Freiheitsgefühl und Beklemmung, die er schon lange nicht mehr verspürt hatte.
    Dann spülten sie ab, Alma stand am Spülbecken, während
die beiden Männer abtrockneten und Sam schläfrig in dem neuen Haus herumtapste und sich alles genau anschaute. Er fragte, wann Beebo sich ein Radio anschaffen würde, wo der Weihnachtsbaum hinsollte, und wollte wissen, was denn mit den Leuten geschehen war, die vorher hier gewohnt hatten. Als sie mit dem Abwasch fertig waren, zeigte Alma Charlie, wo alles untergebracht war, säuberlich aufgeräumt, geschrubbt und jederzeit zum Gebrauch bereit.
    Sam war müde, und Will nahm ihn ächzend auf den Arm  – »Langsam werde ich zu alt dafür«  –, sie wünschten sich nickend eine gute Nacht, ohne sich zu

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