Ein wildes Herz
er sich wünschte, war ein Hund. Er sagte, es sei weniger die Tatsache, dass er selbst einen Hund wollte, obwohl er in seinem innersten Herzen spürte, dass man, wenn man ein Haus besaß, auch einen Hund besitzen sollte, doch Sam wollte einen Hund und durfte keinen haben. Der Junge redete Tag für Tag davon und brachte das Thema immer wieder auf, als wäre es das allererste Mal, dass es zur Sprache kam. Er kannte jeden Hund auf der Straße beim Namen, und jedes Mal, wenn er einen dieser Vierbeiner streichelte, trat eine ganz besondere Mischung aus zärtlicher Traurigkeit und Verzauberung in seine Augen.
Das Zweite war Land. Charlie wollte Land ansammeln, so wie kleine Jungen Baseballbildchen sammeln oder junge Burschen kaputte Autos, in der Hoffnung, eines Tages alle Ersatzteile zusammenzukriegen und daraus ein schnittiges Fahrzeug zu basteln, mit dem man die Aufmerksamkeit der Mädchen wecken konnte.
Vielleicht lag es daran, dass Charlie kein großer, kräftiger Mann war und das Land wie eine Rüstung wollte, die ihn beschützen würde. Vielleicht aber wünschte er es sich auch,
weil er all die langen Jahre kein Zuhause gehabt hatte, kein Gefühl der Zugehörigkeit. Denn es war schön, das Tal von Virginia, und Charlie hungerte nach Schönheit.
Natürlich war das eine ein kleiner Wunsch und das andere ein großer. Doch sowohl Hunde als auch Land begleiteten ihn auf Schritt und Tritt, und zumindest, was den Hund betraf, wusste er genau, welchen er wollte, welcher Sam gefallen würde, denn bei einem seiner vielen Streifzüge durch die Gegend war er auch an dem Haus von Andy Myer vorbeigekommen.
Andy Myer hatte mehr Hunde als Kinder, und er besaß eine ganze Rasselbande von Kindern. Beides zog er ebenso zu seinem Nutzen wie zu seinem Vergnügen auf, die Hunde zum Jagen und damit sie am Abend zu seinen Füßen saßen, und die Kinder, damit sie ihm im Haushalt halfen. Seine Beagles waren bunt gefleckt und fast immer gut gelaunt, und die Kinder sommersprossig und glücklich mit ihrem Los.
Eines Tages fuhr Charlie zu Myers hinaus und schaute sich die neuen Hunde an, einen Wurf zwölf Wochen alter Welpen.
»Jagen Sie?«, erkundigte sich Andy.
»Nein«, sagte Charlie knapp. »Bin aber auch nicht dagegen. Ist mir bloß nie in den Sinn gekommen, zum Vergnügen zu töten.«
»Ich töte, um zu essen.«
»Na ja, sehen sie, und das ist in gewisser Weise mein Beruf«, sagte Charlie und schaute sich die wuselnden Welpen zu seinen Füßen an. Ihm gefielen ihre Flecken, all die Schattierungen auf ihrem Fell, honiggelb und schwarz und weiß, und wie ihre Zungen aus den kleinen Mäulern baumelten. Er fühlte sich, als wäre er wieder fünf Jahre alt und suchte
gerade seinen ersten Hund aus. »Ich bin Metzger von Beruf, und Hunger habe ich nie gelitten.«
»Ich verkaufe keine Hunde fürs Haus oder für den Garten. Ich verkaufe Jagdhunde.«
»Er könnte mit Will Haislett auf die Jagd gehen.«
»Ach, Sie sind ein Freund von Will? Seine Mutter war die zweite Cousine meiner Mutter. Ich weiß zwar nicht, in welcher Weise wir damit verwandt sind, aber seine und meine Leute liegen auf demselben Friedhof, deshalb denke ich, wir gehören zu ein und derselben Familie. Klar können Sie einen Hund haben. Rüde oder Weibchen? Es gibt beides.«
»Ich möchte den da, den starken Rüden da drüben.«
»Er würde einen guten Jagdhund ausmachen. Den wollte ich eigentlich für mich selbst behalten.« Doch Charlie vermutete, dass Andy dergleichen immer sagte, um ein paar Dollar mehr herauszuschinden.
»Wie viel?«
»Für den da? Für die anderen nehme ich jeweils fünfzehn, aber für den da will ich mehr.«
»Achtzehn.«
»Mindestens zwanzig.«
»Ich will wegen zwei Dollar nicht rumstreiten. Er ist der, den ich haben will, und zufällig sind zwanzig Dollar genau das, was ich ausgeben wollte.« Als Andy die Geldscheinrolle sah, die Charlie aus der Tasche zog, sah er so aus, als wünschte er sich, er hätte erst bei zwanzig angefangen und ihn dann hochgehandelt. Jetzt konnte er nicht mehr zurück, und Charlie setzte den kleinen Hund in das Führerhaus seines Pick-ups und fuhr mit ihm nach Hause, der Hund ein wuselndes Etwas in der Decke, die er für ihn mitgebracht hatte.
Sam war vollkommen außer Rand und Band, als er den Hund am Abend sah. Zuerst schaute er den kleinen Beagle
nur staunend an, doch dann lachte er. »Kann ich ihn streicheln?« , fragte er mit einem Blick zu seiner Mutter.
»Natürlich, Sam.«
Der Welpe mochte ihn auf
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