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Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Titel: Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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war, öffneten wir die Verbindungstür und traten hindurch.
    In den Zügen der Tube gibt es keinen geschlossenen Durchgang – man öffnet die Tür und macht einen Schritt über die Lücke in den nächsten Wagen. Einen Augenblick lang ergriff mich ein Strudel von Wind und Finsternis, und ich schwöre, da hörte ich es, das Wispern unter dem Rattern der Räder und dem Geruch nach Staub und Ozon. Nicht dass ich es irgendwie hätte identifizieren können – nicht dass ich selbst heute sicher wäre, was es war.
    Auf der Central Line verkehren Züge mit der fantasievollen Bezeichnung Tube Stock 1992, bestehend aus acht Wagen. Unser Flüchtiger befand sich ganz vorn und wir ganz hinten, daher brauchten wir zwölf Minuten und fünf Haltestellen, um zu ihm aufzuschließen. Als der Zug in Oxford Circus einfuhr, hatten wir unseren ahnungslosen Verdächtigen im vorderen Wagen in die Enge getrieben. Also suchte er sich natürlich genau diese Station aus, um auszusteigen.
    Reynolds bemerkte ihn zuerst, winkte uns, und als er an der offen stehenden Tür vorbeikam, in der wir standen, stürzten wir uns auf ihn.
    Wir überwältigten ihn so problemlos, wie man es sich nur wünschen kann. Ich umklammerte seinen linken Arm, Kumar den rechten, ich hakte ein Bein hinter sein Knie, und schwupps ging er zu Boden. Wir wälzten ihn auf den Bauch und zogen ihm die Arme auf den Rücken.
    Er wand sich, schlüpfrig wie ein Aal. Es war keine leichte Aufgabe, ihn festzuhalten. Und die ganze Zeit blieb er völlig stumm, abgesehen von einem Fauchen wie von einer extrem verärgerten Katze.
    In der Menge wurden Rufe laut, was zum Teufel da los sei.
    »Polizei«, sagte Kumar. »Treten Sie bitte zurück.«
    »Wer von Ihnen hat Handschellen?«, fragte Reynolds.
    Ich sah Kumar an. Er sah mich an.
    »Shit«, sagte er.
    Unser kleiner Aal hörte auf, sich zu winden. Unter dem Stoff seines dünnen Kapuzenshirts kam er mir viel magerer vor, als ich erwartet hätte, aber seine Armmuskeln waren wie Stahlkabel.
    »Das gibt’s doch nicht, dass Sie keine Handschellen dabeihaben«, beschwerte sich Reynolds.
    »Sie haben doch auch keine«, bemerkte ich.
    »Das ist hier nicht mein Zuständigkeitsbereich.«
    »Meiner auch nicht«, sagte ich.
    Wir sahen beide Kumar an.
    »Indizien«, sagte er. »Es hieß, wir wollten Indizien suchen. Nicht Leute verhaften.«
    Unser Verdächtiger hatte angefangen zu vibrieren und gab schnaubende Geräusche von sich.
    »Und Sie hören gefälligst auf zu lachen«, sagte ich. »Das ist echt unprofessionell.«
    Kumar fragte, ob wir in der Lage seien, ihn zu zweit festzuhalten, und ich sagte, vermutlich ja. Er eilte über den Bahnsteig davon in der Hoffnung, über ein Notruftelefon den Stationsleiter zu erreichen.
    »Ich denke, bevor die Hilfe kommt, sollten Sie sichbesser verkrümeln«, sagte ich zu Reynolds. »Mit Ihrer … Ausrüstung.«
    Sie nickte. Es war nur gut, dass sie die Waffe nicht gezogen hatte, bei all den Überwachungskameras hier. Ich spähte zu dem Telefon hinüber, auf das Kumar eifrig einsprach, und da muss sich mein Griff gelockert haben – denn plötzlich versuchte der miese kleine Kerl mich abzuschütteln. Zu meiner Verteidigung möchte ich anführen: Ich glaube nicht, dass der normale menschliche Arm in der Lage sein sollte, sich in diese Richtung zu beugen, geschweige denn in einem so seltsamen Winkel nach oben zu schnellen und mir den Ellbogen ins Kinn zu rammen.
    Mein Kopf wurde zurückgeworfen, und sein rechter Arm entglitt mir.
    Ich hörte eine Frau aufkreischen und Reynolds tatsächlich schreien: »Keine Bewegung!«
    Ein flüchtiger Blick bestätigte mir, dass sie trotz allem zurückgetreten war und ihre Waffe gezogen hatte.
    Im Training, hörte ich später, wird ihnen eingeschärft, dass man seine Waffe nie in Greifweite des Übeltäters bringen darf. Und man sagt, dass es die größte Furcht jedes amerikanischen Gesetzeshüters ist, zu sterben, während seine Waffe noch im Holster steckt.
    Der Typ unter mir schien sich nicht viel aus der Aufforderung zu machen. Er bäumte sich auf und schlug dann mit der freien Hand auf den Boden. Mich durchzuckte der Geruch von frischem Lehm und Ozon, und der Zementboden des Bahnsteigs unter seiner Hand tat sich mit einem lauten Knall auf. Ich konnte richtig sehen, wie die Schockwelle sich im Staub um den Krater herum auszubreiten begann – und dann wurden Reynolds, ich und ein halbes Dutzend Umstehendedavon erfasst und zu Boden geworfen. Wir hatten Glück, dass der Zug

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