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Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Titel: Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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Herbstabend zufällig an einem frischen Tatort an der Dean Street Station vorbeigekommen war, den die Mordkommission gerade absperrte. War das Graham Beales kleiner Bruder gewesen? Einer der Hauptunternehmer für Crossrail, per Familientradition seit über hundertsechzig Jahren auf Tunnelbau spezialisiert.
    Hatte der Gesichtlose ihn umgebracht, weil sein Unterschlupf in Gefahr war, entdeckt zu werden?
    Aber da hast du dich verschätzt, ha!, dachte ich. Denn jetzt weiß ich, wo ich anfangen muss, nach dir zu suchen, du scheißgesichtsloser Phantomscheißer du.
    Ich lachte laut auf. Es fühlte sich gut an, obwohl mir dabei wieder Dreck in den Mund rieselte. Ich versuchte ihn auszuspucken, aber als ich den Kopf zur Seite drehte, musste ich wieder kichern. Eine kleine Alarmglocke in meinem Kopf schrillte los, und ich erinnerte mich, dass grundlose Euphorie eines der Warnzeichen für Sauerstoffmangel war.
    Genau wie ein getrübtes Urteilsvermögen – was vielleicht die Erklärung dafür war, was als Nächstes geschah.
    Ich beschwor ein neues Werlicht und sah mich nochmals in meinem Betonsarg um. Um meine Chancen zu verbessern, etwas frische Luft zu bekommen, beschloss ich, ein Loch nach oben zu bohren, aber nicht zu dicht neben mir, damit ich möglichst wenig abbekam, falls die Decke einstürzte. Ich entschied mich für die obere rechte Ecke hinter dem Stahlbetongitter und ging im Kopf meine Impello -Varianten durch. Wie Lux ist Impello eine, wie Nightingale es nannte, Forma cotidiana , was bedeutete, dass Generationen Newton’scher Magier damit experimentiert, daran herumgebastelt und -gewerkelt hatten, bis eine Menge lustiger Varianten entstanden, die sie an ihre Lehrlinge weitergaben, welche sie wiederum an die ihren weitergeben. Von all den Dingen, die man über Magie lernen muss, ist eines der schwersten, dass Magie nichts mit Wunschdenken zu tun hat. Man kann keinen unsichtbaren Pressluftbohrer erschaffen, indem man ihn sich im Kopf vorstellt. Man muss im Geist die korrekte Variante von Impello aufrufen, sie in die richtige Richtung lenken und sie dann im Grunde so oft wie möglich an- und abschalten.
    Ohne Zweifel gab es einen eleganten, genau passenden Zauber der vierten Ordnung, der die Aufgabe hervorragend erfüllt hätte. Aber den kannte ich nicht, und wenn man unter der Erde begraben ist und einem die Luft ausgeht, muss man nehmen, was man hat.
    Ich atmete tief ein, mit nicht über die Maßen befriedigendem Resultat, und rammte meinen Bohrer in die Ecke. Es ertönte ein erfreulich lautes Krachen. Ich wiederholte das Ganze und dann noch einmal, wobei ich einen Rhythmus zu finden versuchte. Jeder Aufschlag wirbelte Staub auf, der in der unbewegten Luft langsam zu Boden schwebte.Nach etwa zwanzig Schlägen hörte ich auf, weil ich sehen wollte, ob ich Fortschritte machte, und stellte fest, dass ich keine Möglichkeit hatte, das zu überprüfen.
    Also schlug ich wieder auf die Ecke ein, während der Staub dichter und ich immer kurzatmiger wurde, und plötzlich war da ein dumpfes Poltern genau hinter meinem rechten Auge, und es wurde stockdunkel. Panik überfiel mich, dass ich womöglich etwas Irreversibles angerichtet hatte. Hatte ich es so weit getrieben, dass ich einen Schlaganfall erlitten hatte? War ich blind geworden? Oder war nur das Werlicht ausgegangen? In der pechschwarzen Finsternis hatte ich keine Chance, das herauszufinden.
    Denn ein neues Werlicht traute ich mich aus Angst vor einem weiteren Schlaganfall (falls es einer gewesen war) nicht zu beschwören. Ich lag still und zog in der Dunkelheit Grimassen – zumindest mit meiner Gesichtsmuskulatur schien auf beiden Seiten alles in Ordnung zu sein.
    Dann merkte ich, dass ich wieder freier atmete und die Luft sich frischer anfühlte. Der Bohrer hatte also seinen Zweck erfüllt – immerhin.
    Ich weiß nicht, wie lange ich da im Finstern lag, mit nichts als richtig fiesen Kopfschmerzen zur Gesellschaft, bis ich bemerkte, dass sich um meine Stiefel herum Wasser sammelte. Ich bewegte leicht den Fuß. Es plätscherte. Seit ich die Bekanntschaft der Göttin der Themse und ihrer Töchter gemacht hatte, hatte ich ein reges Interesse an der verborgenen Hydrografie Londons entwickelt. Daher brauchte ich nicht lange, um mir auszurechnen, dass der mir am nächsten gelegene Fluss der Tyburn war. Aber so geruchlos wie das Wasser war, schien es mir eher aus einem geborstenen Hauptwasserrohr zu stammen.
    Im Jahr 1940 kamen fünfundsechzig Menschen um, weil eine Bombe

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