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Ein zahnharter Auftrag

Ein zahnharter Auftrag

Titel: Ein zahnharter Auftrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
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nächtlicher Friedhofsspaziergang so viel Angst machte. Helene hätte der Spaziergang bestimmt Spaß gemacht. Aber Helene war ein Mensch. Silvania wollte Herrn Dr. Steinbrück nicht erklären müssen, warum seine Tochter auf der Pyjamaparty bei den Tepes plötzlich Herzrasen bekommen hatte.
    Im Gegensatz zu Helene waren Daka und Silvania noch nicht auf sehr vielen Friedhöfen gewesen. Dieser Friedhof schien uralt zu sein. Silvania überflog im Vorbeigehen ein paar Jahreszahlen auf den Grabsteinen. 1830, 1756, sogar 1690! Einige Grabsteine waren ganz schief und von Moos bewachsen. Bei vielen konnte man die Inschrift nicht mehr erkennen. Manche Grabsteine sahen aus wie richtige Denkmäler und hatten kunstvolle Heiligenbilder eingearbeitet. Andere bestanden aus einem einfachen Steinkreuz. Die Beete vor den Gräbern waren meistens ungepflegt. Unkraut wucherte und hohe Gräser verdeckten die Grabinschriften. Die Grabsteine standen nicht ordentlich in einer Reihe, sondern kreuz und quer zwischen Bäumen und Sträuchern. Die Äste der Bäume und Sträucher hingen auf die Grabsteine herab. Sie sahen aus wie Trauernde.
    Plötzlich spürte Silvania, wie Daka ihre Hand zusammendrückte. Sie sah zu ihrer Schwester, die mit schneeweißem Kinn auf etwas deutete.
    Sofort blickte Silvania in die Richtung. Hinter ein paar Sträuchern erhob sich etwas Gigantisches in den Nachthimmel. Es stand kerzengerade und überragte alle Grabsteine. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Silvania erkannte, was es war.
    »Das ist er«, flüsterte Daka.
    Silvania nickte. Jetzt erkannte sie ihn auch: den Grabstein von Osmund Mortus. Er ragte schwarz und mächtig in den Himmel. Wie der gewaltige Herrscher des Friedhofs blickte er auf sie hinab.
    Daka sah mit offenem Mund an ihm hinauf. Unwillkürlich umklammerte sie die Box in ihren Händen fester. Erst jetzt merkte sie, dass ihre Hände feucht waren.
    Silvania sah auf die Uhr. Sie hatten noch vier Minuten. »Wir müssen uns beeilen«, flüsterte sie. Ihre Stimme brach bei der letzten Silbe. Ihr Hals war trocken. Sie schluckte. Der Kragen ihres Kleides war auf einmal viel zu eng.
    Daka schluckte ebenfalls. »Ja, dann müssen wir wohl.« Daka war immer stolz darauf gewesen, etwas Besonderes zu sein – ein Halbvampir. Doch in diesen Minuten wünschte sie sich zum ersten Mal, ganz normal zu sein. Natürlich lieber ein normaler Vampir als ein normaler Mensch. Dann könnte sie jetzt in Bistrien in Oktavians Gruft abhängen und unterirdisch gute Musik hören. Daka seufzte. Aber sie war ein Halbvampir. Sie musste die Vampirheit retten. Zum Glück war sie nicht allein. Sie drückte die Hand ihrer Schwester.
    Schweigend liefen die Mädchen auf einem Kiespfad auf den gewaltigen pechschwarzen Grabstein zu. Der Kies knirschte. Die Herzen der Schwestern pochten. Mit jedem Schritt erschien der Grabstein größer. Daka und Silvania wurden mit jedem Schritt die Knie weicher.
    Zwei Schritte vor dem gigantischen Grabstein blieben sie stehen. Sie sahen langsam an ihm hinauf. ›Osmund Mortus‹ stand in verschnörkelter Schrift mit goldenen Buchstaben auf dem Stein. Er glänzte kalt im Mondlicht.
    Silvanias Blick glitt am Grabstein hinab und auf das kleine Beet davor. Es war von Erdklumpen und Steinen übersät. Aus der Mitte ragte eine Pflanze hervor. Sie war ungefähr 30 cm hoch. Ihre schwarzroten Blätter waren groß und gezackt. Die Zacken waren lang und spitz wie Vampirzähne. Ein Zweig sah aus wie ein Drachenkopf. Zwei andere Zweige wie Drachenflügel. Ein dritter Zweig ragte wie ein Pfeil als Drachenschwanz in die Luft.
    »Die Germania Dracona«, flüsterte Daka.
    Silvania musterte die Pflanze ängstlich. »Hoffentlich speit sie kein Feuer.«
    Daka beugte sich vorsichtig über die Pflanze. Sie schnupperte. Dann rümpfte sie angewidert die Nase. »Die stinkt aber gewaltig.« Daka richtete sich wieder auf. Sie fasste sich an den Kopf. Sie schwankte nach rechts ...
    ... und nach links.
    »Geht es dir gut?« Silvania sah ihre Schwester mit großen Augen an.
    »Mir ist nur etwas schwindlig. Wahrscheinlich brauche ich mal wieder einen Frischblutsnack.«
    Silvania sah nervös zwischen der Germania Dracona und ihrer Schwester hin und her. Sie hatte einen fürchterlichen Gedanken. »Weder Mensch noch Vampir können sie pflücken. Aber das heißt doch nicht automatisch, dass es Halbvampire können, oder?«
    »Schlotz zoppo! Du hast recht!« Daka legte eine Hand aufs Herz.
    »Herzrasen?«, fragte Silvania. Sie hatte ebenfalls

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