Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein zahnharter Auftrag

Ein zahnharter Auftrag

Titel: Ein zahnharter Auftrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
Vom Netzwerk:
hatten in einer nebligen Herbstnacht in seinem Heimatort gewütet und seine Familie zerstört. Seine Eltern waren tot. Seine Schwestern Vampire. Osmund Mortus erinnerte sich an die Wut, den Hass und Tatendrang, den er damals gespürt hatte. Er war zu allem entschlossen. Nichts und niemand hätte ihn aufhalten können. Doch er lief nicht blind in sein Verderben beziehungsweise dem erstbesten Vampir vor die Zähne. Nein. Er war nicht nur mutig, sondern auch klug. Bevor er sich auf die Jagd machte, besorgte er sich jede Information über Vampire, derer er habhaft werden konnte. Er las wie ein Besessener nächtelang durch. Auch die kleinste schriftliche Erwähnung entging seinen geschärften Augen nicht. Er befragte Augenzeugen in Stadt und Land, die gar schauerliche Geschichten zu berichten wussten. Sein Wissen über Vampire war enorm. Und einmalig.
    Mit diesem Wissen zog er sich ein ganzes Jahr in seine Kammer zurück und entwickelte Methoden für die Vampirjagd. Er arbeitete Tag und Nacht, wie im Wahn. Er sprach mit niemandem, lebte von Wasser und hartem Brot und schlief kaum noch. Er hatte eine Vision, er wusste, er würde sie verwirklichen. Schließlich waren seine Methoden fertig. Es waren die grausamsten, wirkungsvollsten Methoden seiner Zeit. Gleich bei der ersten Vampirjagd vernichtete Osmund Mortus dreizehn Vampire auf einen Streich. Und einen Pudel. Die Menschen bewunderten Osmund Mortus. Vampire fürchteten ihn.
    Die Kunde von den heldenhaften Taten des skrupellosen Vampirjägers Osmund Mortus breitete sich wie ein Lauffeuer aus. Für die meisten Vampire kam sie jedoch zu spät. Auf seinem erbarmungslosen Feldzug gegen die Vampire reiste Osmund Mortus kreuz und quer durch Europa. Danach durchkämmte er Russland. Auch die Mongolei ließ er nicht aus. Er rottete ganze Vampirfamilien aus. So, wie die Vampire einst beinahe seine Familie ausgerottet hatten.
    Er wurde mehrmals schwer verwundet. Im Kampf mit einer Vampirdame verlor er ein Ohr. In einem anderen einen Finger. Er überlebte zehn Tage ohne Wasser und Nahrung. Nie gab er den Kampf auf.
    Als er nach Jahren der Jagd als alter Mann in sein Heimatdorf zurückkehrte, errichtete man ihm ein Denkmal. In Stein gehauen, fand Osmund Mortus, sah er noch imposanter aus. Die Menschen waren ihm dankbar. Wer immer seinen Namen aussprach, tat es voller Ehrfurcht. Doch keiner wagte sich in seine Nähe. Die Menschen hatten Angst vor ihm, Osmund Mortus, dem größten Vampirjäger aller Zeiten.
    Nach all den Jahren der blutigen Jagd war Osmund Mortus kaum wiederzuerkennen. Seine grauen, langen Haare wucherten wie Unkraut auf seinem Kopf und waren voller Ungeziefer. Die eisblauen Augen des Vampirjägers irrten wie vom Teufel getrieben unstet umher. Die buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen, sobald er einen Menschen sah. Osmund Mortus fand, er sah verwegen aus. Die Menschen fanden, er sah beängstigend aus. Sogar die Tiere machten einen Bogen um ihn. Vor allem die Pudel.
    Osmund Mortus zog sich mit Büchern, seinen Vampirtrophäen (1845 Eckzähnen) und finsteren Gedanken ins Haus seiner Eltern zurück. Jeden Abend zählte er die Vampirzähne. Jede Woche polierte er sie. Am Kamin erzählte er zu jedem Eckzahn eine Geschichte. Die Geschichten waren voller Dramatik. Die Zuhörer hätten sich vor Anspannung auf die Zunge gebissen. Doch Osmund Mortus hatte keine Zuhörer. Nur der Kamin knisterte als Antwort. Der größte Vampirjäger aller Zeiten war ein einsamer Held.
    Osmund Mortus starb an einem nassen grauen Februarmorgen an einer Lungenentzündung. Man fand ihn fünf Tage später in seinem Sessel mit einem Buch über Vampire auf dem Schoß und zwei Eckzähnen in der linken Hand. Seine eisblauen Augen starrten auf ein Kreuz an der Wand.
    Man begrub ihn noch am selben Tag. Es gab keine Verwandten, Freunde oder Bekannten, die man erst hätte informieren müssen. Der Tag war grau und nass, dennoch war das gesamte Dorf anwesend, als der Pfarrer zur Grabrede anhob. Der Steinmetz widmete Osmund Mortus den größten Grabstein. Die Bäckersfrau weinte streuselgroße Tränen. Jetzt, wo Osmund Mortus tot war, standen ihm alle im Dorf sehr nahe. Es war einfacher, an seinem Grab Blumen niederzulegen und zu beten, als in seine wilden eisblauen Augen zu sehen.
    In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages erfüllte der Pfarrer den letzten Wunsch des Verstorbenen, den er zusammen mit ein paar Pflanzensamen in seinem Testament gefunden hatte. Diese Pflanzensamen – der Pfarrer fand,

Weitere Kostenlose Bücher