Ein zahnharter Auftrag
Nasenspitze und Kinn aufgetragen. Silvanias Mama war so nett gewesen, ihr für die Wimpern ihre Volumen-Mascara auszuborgen. Sie wusste nur nichts davon.
»Hi.«
Silvania klappte das Buch mit einem Schlag zusammen. Sie starrte Jacob einen Moment mit offenem Mund an. Seine winterhimmelgrauen Augen kamen ihr heute noch strahlender vor. Schnell schloss sie den Mund und lächelte. »Hallo! Da bist du ja schon. Ich habe gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergeht. Da sitze ich hier und lese ... ein sehr gutes Buch übrigens ... und sehe gar nicht auf die Uhr und auf einmal bist du da, wie aus dem Nichts sozusagen und ...«
»Dann können wir ja anfangen«, sagte Jacob.
»Womit?«
»Mit der Nachhilfe.«
»Ach so, ja, klar. Äh ... warte mal kurz.« Silvania stand auf, streckte den Kopf zur Tür in die Wohnung und lauschte. Daka leistete gute Arbeit. Keine Eltern in Sicht. »Komm!« Silvania zog Jacob am Ärmel ins Haus.
Sie lief die Treppe hinauf und verschwand im Zimmer. Jacob folgte ihr. Er sah sich im Zimmer um. Sein Blick fiel auf Dakas Schiffsschaukelsarg. Eine seiner Augenbrauen wanderte nach oben. Sein Blick fiel auf die Metallkette, die zum Abhängen durch den Raum gespannt war. Die zweite Augenbraue wanderte nach oben. Er sah zu Dakas Aquarium und entdeckte Karlheinz. Er runzelte die Stirn.
»Das ist Karlheinz«, erklärte Silvania.
»Aha.«
»Er beißt nur, wenn er Hunger hat.«
»Das ist gut.« Jacob deutete auf den Kerzenständer, an dem sechs dicke lilafarbene Kerzen brannten. »Habt ihr Stromausfall?«
»Nö. Ähm ... wir nehmen es mit dem Energiesparen und Umweltschützen sehr ernst«, sagte Silvania. Sie stöpselte ihren MP3-Spieler an die Computerlautsprecher und drückte auf Play. Leise, langsame Musik erklang. Sie drehte sich um, verschränkte die Hände hinter dem Rücken, schwang leicht zur Musik und lächelte Jacob an.
Jacob sah sich noch immer im Zimmer um. Er rümpfte die Nase. »Hier riecht es nach ...«
»Rose, Veilchen, Lavendel und Nelke«, zählte Silvania auf und zeigte auf ein Duftschälchen. »Ist gut für die Konzentration. Toll, was?«
Jacob reagierte nicht. Er war damit beschäftigt, Silvanias Outfit zu begutachten. Da hatte er einiges zu tun.
Sie trug ein ärmelloses, knielanges, schwarz-weiß kariertes Kleid. Auf der schwarzen Strumpfhose waren ebenfalls Karos. Die Haare hatte sie hochgesteckt und ein kleines britisches Fähnchen zur Dekoration hineingesteckt. Schließlich ging es um Englisch-Nachhilfe. Zur Feier des Tages hatte sie ihre besten Handschuhe angezogen. Sie waren glänzend schwarz, hauteng und reichten bis zum Ellbogen. An der linken Hand glitzerte ein großer weißer Diamantenring. Natürlich kein echter.
Als Silvania Jacobs Blick bemerkte, kamen ihr Zweifel. Hätte sie doch das lange rote Kleid mit dem Puschelkragen anziehen sollen? Wahrscheinlich sah sie in dem karierten Kleid aus wie ein Schachbrett. Immerhin war sie nicht so flach.
»Okay. Fangen wir an«, sagte Jacob und klatschte in die Hände. Er setzte sich auf einen Schreibtischstuhl und nahm das Englischbuch, das auf dem Tisch lag.
Silvania holte einen zweiten Stuhl und rückte so nah es ging an Jacob heran. Es war wichtig, dass man seinen Nachhilfelehrer gut hören konnte. Silvania beugte sich über das Englischbuch. Sie schielte zu ihrem Nachhilfelehrer. Sie war nur noch Zentimeter von ihrer Rolltreppenbekanntschaft entfernt. Im Kerzenlicht schimmerte seine Haut wie Vanillezuckerglasur. Auf der linken Wange entdeckte Silvania einen kleinen Leberfleck. Sie unterdrückte ein Seufzen.
»Das brauchen wir erst mal nicht«, sagte Jacob und schlug das Englischbuch zu.
Silvania zuckte zusammen.
»Fangen wir mit einem einfachen Gespräch an. Bist du bereit?«, fragte Jacob.
»Yes!«, antwortete Silvania.
»Wir tun so, als ob wir uns zum ersten Mal treffen.«
»Alles klar.«
»Hello. My name is Jacob. Pleased to meet you.«
Silvania nickte Jacob zu. »My name is Silvania. But you kannst mich nicht mieten.«
Jacob fuhr sich durch die rotblonden Haare. »Nein. ›Meet‹ heißt ›kennenlernen‹, nicht ›mieten‹.«
»Ach.«
»Und man antwortet dann ›pleased to meet you too‹.«
»Warum nicht ›pleased to meet you one‹ oder ›you three‹?«, fragte Silvania.
Jacob runzelte die Stirn. Dann stöhnte er. »Nein! Doch nicht ›two‹, sondern ›too‹!«
»Wie bitte?«
»T-W-O heißt ›zwei‹. Aber T-O-O heißt ›auch‹«, erklärte er.
Silvania schüttelte verwirrt den Kopf. Das
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