Ein zahnharter Auftrag
englische Fähnchen wackelte. »Ist das nicht irre, dass ›zwei‹ auch ›auch‹ heißt? Ich glaube, ich werde nie Englisch lernen.«
»Doch. Klar wirst du das«, sagte Jacob. »Es dauert nur eben ... etwas länger.«
»Du meinst, ich brauche viele Nachhilfestunden?«
»Ich fürchte ja.«
Silvania machte ein betroffenes Gesicht. Doch innerlich strahlte sie. Das war genau, was sie wollte: ganz viele lange Nachhilfestunden mit Jacob. Vielleicht konnte er ihr als gute Kundin einen Sonderpreis machen.
Plötzlich flog die Zimmertür auf. Drei der sechs Kerzen gingen durch den Luftzug aus. Ein kleiner, dicker Junge im Superman-Kostüm stürmte herein. Aus seinem Mund hing ein Faden. Der Faden bewegte sich. Es war ein Mäuseschwanz.
Silvania sprang auf. »Woiwo! Mach die Fledermaus, aber rapedadi!«
Jacob starrte Woiwo an. Sein Unterkiefer klappte langsam nach unten.
»Öch woll nur« – schluck – »mal ganz korz« – schluck – »öns Önternöt.« Schluck. Die Maus war weg. Der Schwanz auch.
»RAUS!«, schrie Silvania.
Jacob sprang auf. »Ich geh schon.«
»NEIN! Du doch nicht!«
Jacob war bereits bei der Tür. Silvania eilte ihm nach. »Warte! Please wait!«
»Ich halte ihn auf!«, rief Daka, die gerade aus dem Bad kam. Sie flopste sich schnell ans untere Treppenende und stellte sich breitbeinig vor der Wohnungstür auf.
Jacob wurde blass. Er riss die Augen auf. Er sah zu Daka, dann zurück zum oberen Treppenende, wo Daka eben noch gestanden hatte. Silvania stürmte die Treppe hinunter, direkt auf Jacob zu. Jacob sprang die letzten Stufen mit einem Satz nach unten. Da Daka den Ausgang versperrte, rannte er nach rechts ins Wohnzimmer. Er öffnete die Tür und blieb abrupt stehen, als hätte er mit dem Holzhammer einen Schlag auf den Kopf bekommen.
Mitten im Zimmer an der Decke hing ein Kronleuchter. Am Kronleuchter hing kopfüber Vlad Tepes und machte ein Nickerchen. Er schnarchte. Neben dem Kronleuchter flog Tante Karpa. Sie hatte den linken Arm nach oben gestreckt, den rechten nach unten. Die Beine streckte sie in einer Schere von sich. Tante Karpa machte Flugpilates. Dreimal die Woche.
Elvira Tepes kam mit einer Klobrille unter dem Arm ins Wohnzimmer. »Hat jemand meine ...« Sie blieb abrupt stehen und sah Jacob von oben bis unten an, als wäre ein Außerirdischer auf ihrem Wohnzimmerteppich gelandet.
Jacob starrte auf die Klobrille, er sah zu Daka, Silvania und Woiwo, die ihm gefolgt waren. Er sah nochmals ungläubig zum Kronleuchter und zur Flugpilatin. »Ich muss hier raus. Sofort«, flüsterte er.
In dem Moment riss Mihai Tepes die Terrassentür von außen auf. Mit wehenden Haaren trat er ins Wohnzimmer. Seine Augen waren weit aufgerissen und schimmerten vor Entsetzen. »NIEMAND VERLÄSST DAS HAUS!«, rief er. »NIEMAND kommt hier raus, solange wir den Dieb nicht gefunden haben.«
Frau Tepes rutschte die Klobrille aus der Hand. »Dieb?«
»Jemand hat den Pflanzentrunk der Germania Dracona gestohlen.«
Der gemeine
Dieb
N icimo!«, sagte Mihai Tepes und ließ sich mit einem tiefen Seufzer auf die Wohnzimmercouch fallen. »Wir haben überall gesucht. Der Saft ist weg.«
Daka nickte. »Ich habe sogar das Klowasser getestet.«
Elvira Tepes verzog das Gesicht.
Tante Karpa schüttelte sich. Dabei entwich ihr ein kleiner Rülpser. »Verzeihung.« Sie hielt sich die Hand vor den Mund.
Silvania sah abwechselnd zu Boden und zu Jacob. Er stand noch immer im Wohnzimmer und wagte es nicht, sich zu bewegen. Dafür sorgte Onkel Vlad. Er hatte Jacob bewacht, während die anderen das ganze Haus nach dem Pflanzensaft durchsucht hatten.
»Dann gibt es nur eine Möglichkeit«, sagte Vlad Tepes und baute sich vor Jacob auf. Er war fünf Zentimeter größer. Mit Haaren fünfzehn.
Jacob zog die Augenbrauen zusammen und sah fragend zu Silvania.
Silvania presste die Lippen aufeinander. Sie überlegte verzweifelt, wie sie die Situation retten konnte.
»DU hast den Trunk gestohlen!«, sagte Vlad und tippte Jacob mit dem Zeigefinger auf die Brust.
Jacob sah in Vlads orange-grüne Augen und schüttelte schnell den Kopf.
Elvira Tepes stellte sich neben ihren Schwager und musterte Jacob. »Wer bist du eigentlich? Wie kommst du in unsere Wohnung?«
»Ich ... ähm ... ich bin Jacob.«
»Und?« Frau Tepes hatte die Arme verschränkt.
»Die da«, Jacob zeigte auf Silvania, »hat mich reingelassen.«
»Alles Lüge!«, rief Vlad.
»Warum sollte Silvania einen wildfremden Jungen ins Haus lassen?«, fragte
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