Ein Zirkus für die Sterne
während Nummer zwei – der Taschendieb – die Brieftasche klaut und sie an Nummer drei weitergibt, um das Beweisstück loszuwerden. Eine schreckliche Verschwendung von Arbeitskraft!
Beim Zirkus zu arbeiten ist anders – das ist Massenproduktion. Die Langfinger verteilen sich in der Menge, ich steige auf ein Podest und versuche, die allgemeine Aufmerksamkeit zu erregen. Wenn jeder zuhört, erkläre ich den Opfern, es sei bekanntgeworden, daß Taschendiebe ihr Unwesen trieben, daß jeder gut auf seine Sachen aufpassen soll, und vielen Dank auch.«
»Du warnst sie?«
Boston Beau nickte. »Sobald sie gewarnt sind, greifen sie als erstes dahin, wo sie ihr Geld mit sich rumtragen. Die Diebe in der Menge merken sich die Stellen, und dann ist es nur noch eine Frage des Fassungsvermögens, wieviel jeder mitnehmen kann.«
Auch die Schlepper arbeiten zum Wohle aller. Sie durchstreifen in den Großstädten die Straßen nahe der Show und halten Ausschau nach Müßiggängern, die sich dazu überreden lassen, auf den Platz zu kommen, um einen Blick auf das Geschehen zu werfen. Dort erleben sie, wie ein oder zwei Glückspilze ein paar Runden Hütchenspiel, Kümmelblättchen, Meine Tante/Deine Tante, Ramso oder sonstwas gewinnen, und sie überzeugen sich, daß man den Spieler schlagen kann. Diese glücklichen »Kunden« waren Assistenten von Boston Beau. »Wissenschaft« ist ein zu schwaches Wort, um die Methoden zu beschreiben, die diese feinen Herren verwendeten, um einen Simpel von seinen Credits zu trennen. Und während das Vertrauen in meine scharfen pendiischen Augen dahinschwand, wuchs mein Respekt vor den Spielern. Man braucht nicht wenig Mut – egal wie verdorben man ist –, um allein hinter einem klapprigen Tisch zu sitzen und einem kräftigen Bergmann vor seiner Nase sein Geld abzuknöpfen, ohne jemanden in der Nähe zu haben außer den Freunden oder Verwandten dieses ungeschlachten Kerls. Womöglich wäre mein Respekt für die Goldfinger auch noch in Bewunderung ausgeartet, wenn meine Lektion mich nicht zurückgehalten hätte.
Da mein eigener Wissenschaftsfonds erschöpft war, stellte ich Fragen und machte mir Notizen. »Eines versteh’ ich nicht ganz, Boston Beau – wie kannst du es dir leisten, Mr. John zweiundzwanzig Millionen Credits für seine Zusagen zu bezahlen? Ich meine, du bezahlst ihn, um seine Eintrittskarten zu verkaufen.«
Boston Beau kratzte sich das Kinn, guckte in die Luft und stellte ein paar Kopfrechnungen an. Als er fertig war, sah er mich an. »Wieviel hat der Zirkus in der letzten Saison eingenommen? Etwa zwanzig, fünfundzwanzig Millionen Credits?«
»So ungefähr.«
Er nickte. »Sagen wir, du bist ein Besucher. Du gehst an die Kasse, um dir eine Karte für zweieinviertel Credits zu kaufen. Du gibst mir – dem Kartenverkäufer – eine Zehn- oder Zwanzigcreditnote … sagen wir, einen Zehner. Jetzt gebe ich dir vierdreiviertel Credits zurück.«
»Nein, du schuldest mir sieben dreiviertel.«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Das bestreite ich gar nicht, Warz. Ich schulde dir siebendreiviertel, doch alles, was du kriegst, sind vierdreiviertel.«
»Wie …«
Boston Beau grinste. »Wenn du nach deinen ganzen Forschungsarbeiten noch einen Zehner übrig hast, wird es mir ein Vergnügen sein, dich zu Schieber Tim mitzunehmen und dir zeigen zu lassen, wie es gemacht wird.«
Ich warf dem Zocker einen finsteren Blick zu. »Nein, lieber nicht.«
Er nickte und lächelte. »Siehst du? Soviel hast du schon gelernt.« Er faltete die Hände: »So, beinahe jeder, der in die Show will, hat dafür ein wenig Geld gespart, und das sind meistens große Scheine. Vielleicht einer unter zwanzig Kunden zahlt mit einer abgezählten Summe. Das bedeutet,
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