Eindeutig Liebe - Roman
Sie hatte mir einen furchtbaren Schreck eingejagt. Ich meine, ihre feurige Leidenschaft und auch, dass wir hin und wieder etwas grob wurden, machten mir großen Spaß, aber das hier war ein bisschen übertrieben. Auf der Anrichte lagen Orangen – sie hätte eine davon werfen können.
»Mir reicht’s, Nick. Mir reicht’s wirklich!«, brüllte sie, hielt mein Handy hoch und stürmte an mir vorbei die Treppe hinauf. Das Display leuchtete und beschien Chloes Gesicht in der Dunkelheit von unten; es verwandelte ihr liebes, ätherisches Antlitz in die Fratze von Frankensteins Monster.
Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, weshalb sie sich derart aufführte. Also blieb ich kurz im Flur stehen, während mir Regentropfen aus dem Haar auf die Stirn liefen. Vor ein paar Minuten hatte ich dem Kassierer im Lebensmittelgeschäft Geld in die Hand gedrückt und mit ihm kurz über das Wetter und die neusten Fußballergebnisse gesprochen. Ich kam nicht aus einem Bordell und hatte mich auch nicht gerade erst aus den Armen einer heimlichen Geliebten gelöst. Es trieb mich in den Wahnsinn! Und der Teller war teuer gewesen. Ich warf die Einkaufstasche in die Ecke und stapfte hinter Chloe die Treppe hinauf.
Sie saß auf der Bettkante und weinte. Vor Wut.
»Komm schon, Chloe«, sagte ich leise und versuchte, mich neben sie zu setzen, aber sie stieß mich zurück. Und zwar fest.
»Nein, verpiss dich, du Scheißkerl!«, brüllte sie so laut, dass die Nachbarn jedes Wort verstehen mussten. Das Make-up lief ihr die Wangen herunter. Sie war völlig außer sich.
»Was habe ich denn verbrochen?«, brüllte ich zurück. »Vor zehn Minuten war noch alles in Ordnung, Chloe, und jetzt benimmst du dich, als hätte ich deine Katze erwürgt. Was soll das? Ich halte das nicht mehr aus!« Mir war klar, dass ich die Kontrolle über mich verlor – falls ich die je gehabt hatte.
»Jetzt willst du auch noch wissen, was du getan hast? Stell dich bloß nicht dumm! Lies das!« Sie knallte mir das leuchtende Display meines Touchscreenhandys gegen die Nase, wodurch die SMS, die darauf zu sehen gewesen war, sofort geschlossen wurde. Dann schoss sie an mir vorbei und hinterließ einen Kondensstreifen aus Wut.
Ich nahm das Handy und kontrollierte meine neuesten Nachrichten. Ach du Scheiße, die SMS war von Amelia.
Hallo, Nick. Ich vermisse dich so sehr. Wir müssen etwas unternehmen. Es geht so nicht weiter. Ruf mich bitte an. Amelia xxx
Nach all der Zeit …
»Also, was hast du dazu zu sagen?«, kreischte Chloe und kam wieder ins Schlafzimmer. Sie trug hochhackige Schuhe, und die Absätze knallten auf den Holzboden. Ich fuhr endgültig aus der Haut.
»Ganz einfach: Ich werde mich dafür nicht rechtfertigen. Sicher, sie ist eine Exfreundin. Aber zwischen uns ist es seit Jahren aus. Offenbar empfindet sie noch immer etwas für mich, doch das ist nicht meine Schuld«, erklärte ich. Mir war klar, dass es nicht gut aussah, aber ich war einfach nicht bereit, mich dafür zu rechtfertigen.
»Blödsinn, Nick. Ich glaube dir kein Wort. Warum hat sie noch immer deine Nummer? Und was ›geht so nicht weiter‹, hm?« Sie starrte mir in die Augen und atmete so heftig, dass ihre Schultern sich hoben und senkten.
Es war einfach entsetzlich. »Also, sie hat mir eine SMS geschickt. Seit unserer Trennung habe ich mich nicht mehr bei Amelia gemeldet, aber plötzlich ist das alles meine Schuld?«, fragte ich und folgte ihr, mein Handy schwenkend, die Treppe hinunter. Das war absurd. Völliger Irrsinn. »Und zieh bitte deine verdammten Schuhe wieder aus, Chloe. Du machst Kratzer in den Boden.«
»Ich ziehe meine Schuhe nicht aus, Nick, denn ich gehe jetzt«, zischte sie. Mit einer großen Tasche in der Hand durchquerte sie den Flur.
»Ach, Chloe, das ist doch albern. Was soll ich dir denn sagen?« Mit ausgebreiteten Armen ging ich ihr nach. Ich war gereizt, wurde immer wütender. So war ich noch nie der Untreue bezichtigt worden. Und ich hatte ihr auch nie einen echten Grund gegeben, mir zu misstrauen. Ich konnte verstehen, dass sie sich Siennas wegen Sorgen gemacht hatte, aber das hatten wir längst hinter uns gelassen.
Sie stopfte ihre Sachen in die Tasche. Die Kerzen, die Kissen, die merkwürdigen kieselsteinartigen Dinger, die sie in Schalen aufhebt … Das alles konnte sie gerne mitnehmen. Als ich sie so beobachtete, sah ich nicht mehr die Chloe, in die ich mich verliebt hatte, sondern eine wütende, unsichere junge Frau, und ich bemitleidete sie. Es hatte immer
Weitere Kostenlose Bücher