Eindeutig Liebe - Roman
zwischen uns nun wieder alles wie früher sein würde. Nick und ich auf Tour … Ich wusste, dass das selbstsüchtig war. Doch noch ehe Nick antworten konnte, mischte sich Dad ein.
»Leute, es kostet mich große Mühe, wach zu bleiben – nimm’s mir nicht übel, Nick, aber ich muss ins Bett.« Für einen Augenblick sank sein Kopf zur Seite, dann riss er sich noch einmal heraus.
»Kein Problem, George. Danke fürs Zuhören«, flachste Nick und nahm noch einen großen Schluck aus der Bierdose.
Ich brachte Dad in sein Zimmer und stützte ihn, damit er nicht hinfiel. Er stieg schwerfällig ins Bett und nahm seine Tabletten. Als ich ihn auf die Wange küsste, sagte er etwas sehr Merkwürdiges: »Kümmere dich um ihn, Si. Er liebt dich – das weißt du doch wohl, oder?«
»Was?«
»Ach, nur keine … keine Sorge«, ergänzte er müde, dann sank sein Kopf sanft aufs Kissen.
Wie seltsam, dachte ich, als ich ihn zudeckte. Er sah so süß aus, als ich noch kurz an seinem Bett stehen blieb und dabei zusah, wie er atmete.
Als ich wieder ins Wohnzimmer kam, war Nick auf die Zweisitzercouch umgezogen.
»Komm her, Si«, bat er. Er ließ traurig den Kopf hängen.
»Ach, Süßer, jetzt mach dir nicht solche Gedanken. Man weiß schließlich nie. Vielleicht klärt sich das alles ja wieder, oder?«, fragte ich und setzte mich neben ihn.
Mein Herz raste. Plötzlich war ich in Nicks Nähe wieder so nervös wie früher, wenn wir allein gewesen waren und Zeit zusammen verbracht hatten. Er zog mich zu sich, und ich legte den Kopf an seine Brust und den rechten Arm um ihn. Dann drückte ich ihn ganz fest. Ich spürte, wie mich wieder diese Wärme erfüllte. Auch sein Herz pochte heftig – ich hörte jeden einzelnen Schlag. Meine Hände fuhren über seine Rippen; ich spürte sie durch das feuchte T-Shirt. Der vertraute Nick-Geruch stieg mir in die Nase. So nah war ich ihm lange nicht mehr gewesen. Er sagte nichts, sondern fuhr mir nur mit den Fingern durchs Haar. Es fühlte sich an, als berühre er mein Herz.
In dem Moment kehrte der Schmerz zurück. Der Schmerz, der mich seit Jahren quälte. Ich hatte es geschafft, mich davon abzulenken: mit neuen Freunden und mit meinen Anstrengungen, dem Obdachlosen ein neues Zuhause zu beschaffen, mit ernsthaften, aber erfolglosen Bemühungen um eine Beförderung im Verlag. Doch jetzt war alles wieder da – und ich wollte es fortstoßen. Ich wollte das Ganze nicht noch einmal durchmachen.
»Hast du von Ben gehört?«, fragte Nick plötzlich und schob mir das Haar aus dem Nacken. Heiße Schauer liefen mir den Rücken hinunter.
»Nein. Er hat lange nichts von sich hören lassen. Ich habe darauf gewartet, dass er wieder angekrochen kommt, aber das ist nicht geschehen. Also ist es wohl kein Fehler, wenn ich ihn endgültig abschreibe.«
»Vermisst du ihn?«, wollte Nick wissen.
Vermisste ich ihn? Das hatte ich mich selbst schon gefragt … In den Wochen, nachdem er mich am Abend der Weihnachtsfeier sitzengelassen hatte, hing immer eine dunkle Wolke über meinem Kopf, und jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, hoffte ich, dass er mich anrief. Doch ich wurde immer enttäuscht, und irgendwann war meine Enttäuschung einem Zorn gewichen, der so bitter war wie Kaffee. Zorn, weil er mir gesagt hatte, dass er mich liebe, und mich dann verlassen hatte. Er konnte mich überhaupt nicht geliebt haben, oder? Jemanden, den man liebt, verlässt man nicht. Deshalb war ich auch der Meinung, dass meine Mutter mich nicht geliebt hatte. Hätte sie mich geliebt, wäre sie nicht einfach so aus meinem Leben verschwunden.
»Nicht mehr. Ich denke noch an ihn, aber es ist vorbei, nicht wahr? Es hat keinen Sinn, sich damit aufzuhalten.«
Er seufzte wieder. Die Art, wie er mir durchs Haar fuhr, machte mich schläfrig. Ich war so entspannt, dass ich spürte, wie mein Körper fast in ihm und dem Sofa versank. Es war, als bestände ich aus Sandkörnern.
Die Uhr schlug Mitternacht. »Ich sollte jetzt gehen«, flüsterte er ganz leise.
Der Gedanke, dass er gehen könnte, tat mir noch mehr weh. Wieso, wusste ich nicht. Doch dann purzelten drei Wörter einfach so aus meinem Mund. Ich hatte nicht geplant, sie auszusprechen. »Bitte geh nicht.«
Ich konnte nicht fassen, dass ich das gesagt hatte. Rasch trat ich den Rückzug an. »Es tut mir leid, das habe ich nicht so gemeint. Natürlich solltest du gehen …« Dann verstummte ich und errötete in sein weiches T-Shirt, ehe ich mich von ihm löste.
Er lag noch einen
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