Eindeutig Liebe - Roman
die wahrscheinlich versuchen würde, mir die Lippen zusammenzutackern oder mir ein paar zusätzliche Nasenlöcher zu stanzen. Kopf hoch, Nick! Kopf hoch! Ich bereute meine Dummheit, gegen meine eigene Regel verstoßen zu haben, indem ich eine Beziehung mit einer Kollegin eingegangen war.
Mir pochte das Herz bis zum Hals, als ich meine Tür öffnete und in das Großraumbüro trat. Aus dem Augenwinkel entdeckte ich Chloe, aber ich sah nicht hin. Auf keinen Fall würde ich es dulden, wenn sie versuchen würde, irgendwelchen Mist abzuziehen. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte ich das untere Ende der Treppe zu Ants Büro. Ich atmete erleichtert auf, aber jetzt stellte sich mir natürlich die Frage, was mich dort oben erwarten würde.
»Na los, Nick – beeilen Sie sich bitte!«, klang es flapsig aus dem Management-Baumhaus. Mein Versuch, unauffällig zu sein, war ruiniert. Wer noch nicht bemerkt hatte, dass ich an ihm vorbeigeschlichen war, wusste spätestens jetzt, wo ich war.
Ich flitzte die Treppe hinauf. Als ich schwer atmend das obere Ende erreicht hatte, merkte ich, wie unfit ich war. Ant trug ein dunkelblaues Hemd mit waagerechten Streifen, das seinem immer größer werdenden Bauch in keiner Weise schmeichelte.
»Setzen Sie sich, Nick«, forderte er mit einem breiten Grinsen, das sein ganzes Gesicht zu vereinnahmen schien. Eins stand jedenfalls fest: Er meinte es ehrlich, wenn er lächelte, auch wenn das nicht allzu oft geschah.
»Was ist los, Boss?«, fragte ich, streckte meine Beine aus und legte die Hände auf die Brust.
»Zwei Dinge. Erstens, wieso lassen Sie sich so gehen?« Er schob mir einen Teller mit Keksen und Schokolade zu, und ich hatte das schreckliche Gefühl, dass mich eine Art Beratungsstunde mit meinem Vorgesetzten erwartete. Zu seinen Gesprächen von Mann zu Mann gehörten immer auch jede Menge Spötteleien.
Ich beschloss, Unwissenheit vorzuschützen. »Ich, mich gehen lassen? Ist das Ihr Ernst?«
»Allerdings. Sehen Sie sich mal Ihr Gesicht an – da wächst ein bisschen zu viel Gestrüpp. Und Ihre Klamotten bügeln Sie auch nicht mehr.«
Da hatte er recht. Das Bügeln hatte immer Chloe übernommen.
»Kommen Sie schon. Ich weiß, was mit Ihnen und Chloe los ist«, sagte er und schob sich mit wissender Miene ein paar Schokobonbons in den Mund.
Ich würde dem Ganzen wohl nicht entkommen können, oder? »Das gibt sich schon wieder. Es ist erst ein paar Tage her, und …«
»Wochen, Nick. Ein paar Wochen. Und Sie sehen aus, als hätten Sie sich seitdem nicht mehr gewaschen«, konstatierte er schroff und verschränkte die Arme.
Gewaschen hatte ich mich durchaus, und das war doch noch nicht so lange her – oder?
»Na, ich habe gute Neuigkeiten für Sie. Sie verlässt uns.«
Gott sei Dank, dachte ich. Ich wollte vor Freude aufschreien. Das war ja großartig!
Doch ich verbarg meine Gefühle vor ihm. »Ach, das ist ja schade. Wohin geht sie?«
Er blickte über meine Schulter – ein seltsamer Versuch, sich zu vergewissern, dass sie nicht in unsere Richtung sah –, dann beugte er sich zu mir vor und flüsterte: »Sagen Sie es niemandem weiter, Nick – und für Sie wird es ein Schock sein –, aber sie zieht weg und wird mit ihrem früheren Freund zusammenleben. Mit jemandem, den sie an der Uni kennengelernt hat. Man kann wohl davon ausgehen, dass die ›Verhandlungen‹ stattgefunden haben, als sie noch mit Ihnen zusammen war …«
Heilige Scheiße. Betrogen. Schon wieder. Deshalb hatte sie sich also so benommen. Ich wusste nur nicht, wie ich damit umgehen sollte. Meine Gedanken kehrten zu unserem ersten gemeinsamen Mittagessen in dem Pub zurück. Ich dachte daran, wie wir von Liebe gesprochen hatten und sie meinte, dass sie sie einmal gefunden habe.
Ich war sauer. Rasender Zorn brachte mein Blut zum Kochen, aber ich saß vor meinem Boss und musste mich »professionell« verhalten. Wie konnte sie es wagen, mich der Untreue zu bezichtigen, wenn sie es hinter meinem Rücken mit einem anderen Kerl trieb?
»Entschuldigen Sie, Nick. Es wäre besser gewesen, wenn ihnen jemand anders die Wahrheit eröffnet hätte. Aber ich bin es leid, Sie in diesem Zustand zu sehen, und wie es aussieht, brauchen Sie wohl einen Tritt in den Arsch, um darüber hinwegzukommen, oder?«
Ich nickte, aber lieber wäre ich die Treppe hinuntergerannt und hätte Chloe zur Rede gestellt. Sie hatte versucht, es so aussehen zu lassen, als wäre es meine Schuld, dass sie mich verließ – und sie hätte mich
Weitere Kostenlose Bücher