Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eindeutig Liebe - Roman

Eindeutig Liebe - Roman

Titel: Eindeutig Liebe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
Vom Netzwerk:
weg?«, fragte ich und sah in Richtung des Fernsehers, der auf lautlos stand. Mein Magen fühlte sich leer an, aber nicht vor Hunger. Im Fernsehen lief irgendeine schreckliche Gameshow; ich war gerade dabei gewesen, sie mir – ohne Ton – anzusehen, als Pete geklopft hatte.
    »Ja und nein. Du weißt ja, dass ich eine sehr schwere Zeit hinter mir habe, aber ich bin anders als du. Ich bin nicht so stark …« Er verstummte, fast sah es aus, als schämte er sich.
    Ich wusste nicht, was er meinte. Er war ein Mann – etliche Jahre älter als ich –, der die letzten paar Jahre auf dem harten, kalten Boden geschlafen hatte. Er war stärker, als ich es je sein könnte.
    »Aber du … Du hast etwas ganz Besonderes, Sienna. Und ich weiß einfach, dass du das alles hinnehmen und etwas Gutes daraus machen wirst.« Er sah mir in die Augen. Ich hatte ganz vergessen, wie kalt seine Augen waren. Wie blau.
    »Danke«, sagte ich, ohne zu wissen, was er meinte.
    »Ganz weg geht es nie. Du wirst für den Rest deines Lebens daran denken. Aber ich verspreche dir, es wird leichter. Deine Gefühle werden sich verändern, aber er wird dir immer wieder Freude bereiten, weil du hier oben drin die ganzen Erinnerungen an ihn hast.« Er tippte sich mit dem Finger an die Schläfe.
    Was er da sagte, war ein großer Trost für mich. Trotzdem bekam ich Angst; sie schnürte mir die Brust zu.
    »Was ist mit dir, Pete? Bist du jetzt in einem Wohnheim?«, fragte ich in der Hoffnung, das Gespräch auf etwas Positiveres lenken zu können.
    Er lächelte. Sein Gesicht nahm einen Ausdruck an, den ich bei ihm noch nie gesehen hatte. Ich glaube, es war Zuversicht.
    Ich beugte mich vor und nahm seine Hände.
    »Ja, das bin ich, und es ist toll, Sienna. Ich habe ein paar wirklich nette Leute kennengelernt, und heute war ich bei einem Vorstellungsgespräch.«
    »Ehrlich?« Ich wäre beinah vor lauter Freude vom Sofa gesprungen.
    »Nun, ja – sie haben mich zu einem Vorstellungsgespräch bei einer kleinen Privatfirma in Camden geschickt. Ein Bürojob. Ich glaube nicht, dass ich ihn bekomme, aber der erste Schritt ist gemacht, oder?«
    Ich hoffte wirklich, dass er den Job bekam. Das würde für ihn einen Neuanfang bedeuten, und eines Tages würde er wieder einigermaßen komfortabel leben können. »Ich bin so stolz auf dich, Pete. Gut gemacht. Was meinst du, wie ist das Gespräch gelaufen?«
    »Ich war so unglaublich nervös, Si«, gestand er und beugte sich noch weiter vor, sodass ich die Lücke sehen konnte, wo früher seine Vorderzähne gewesen waren.
    Ich kicherte, und es kam mir vor, als hätte ich das ewig nicht mehr getan. »Was, hast du dir etwa in die Hose gemacht?«, fragte ich und lachte noch mehr.
    »Ha! Nicht ganz, aber ich war kurz davor. Ich bin in den falschen Bus gestiegen – und das nur, weil ich vor lauter Nervosität nicht richtig gucken konnte.« Er faltete seine Hände. »Ich wollte dir nur danken, Sienna«, fuhr er in sehr viel ernsterem Ton fort.
    »Ach was, du brauchst mir nicht zu danken. Ich hab nicht viel gemacht, Pete. Ehrlich. Du hast das allein geschafft – du hast dich überwunden, du bist zu Laura zurückgegangen, und du hast mit ihr gesprochen. Du bist kein schwacher Mensch, Pete. Ganz und gar nicht …«
    In diesem Moment war ich sehr stolz auf ihn, und ich meinte das, was ich da gesagt hatte, sehr ernst. Leistung ist relativ. Ob er den Job bekam oder nicht, ich hatte vor ihm größeren Respekt als vor ein paar gut betuchten Vorstandsmitgliedern, die ich kennengelernt hatte. Er war aus der Gosse geklettert, sein Fortkommen war sein ureigenes Verdienst, und das konnte ihm niemand nehmen.
    »Nein, wirklich. Ich bin mir gar nicht so sicher, ob ich ohne dich noch am Leben wäre.« Er sah sehr ernst aus, und seine Augen bekamen einen feuchten Glanz. »Für mich, Sienna, bist du ein Engel.«
    Was er sagte, bewegte mich sehr und schnürte mir wieder die Brust zu, aber ich gab mir alle Mühe, mich zu beherrschen. Ich schaute wieder auf den Bildschirm: Es lief Werbung, und eine Frau hielt eine Flasche Chlorreiniger vor die Kamera und zeigte darauf, als wäre es die Antwort auf alles Übel der Welt.
    Ich war kein Engel. Denn wäre ich ein Engel, hätte ich meinen Vater gerettet. Dazu sind Engel da.
    Schnell wechselte ich das Thema. »Sag mir bitte Bescheid, wenn du etwas wegen deines Jobs hörst, ja?«, bat ich ihn. Ich wollte unbedingt wissen, wie es mit ihm weiterging.
    »Das mache ich gern. Ich wollte dich auch etwas fragen …

Weitere Kostenlose Bücher