Eindeutig Liebe - Roman
damals etwas Tröstliches. Sie ließen die Welt etwas besser erscheinen.
Manchmal hatte ich aber nicht einmal die Energie, meinen Freundinnen die Tür zu öffnen. An einem Tag ging uns die Milch aus, und ich versuchte, zum Laden zu gehen, doch die frische Luft und die Lautstärke überwältigten mich, sodass ich es nicht mehr aushielt und wieder hineinging. Die beiden Wochen kamen mir vor wie ein Monat, vielleicht sogar wie ein ganzes Jahr. Es war ein wildes Durcheinander aus stumpfer und quälender Zeitlosigkeit, in dem sich drei Uhr morgens und die Mittagsstunde nicht mehr voneinander unterschieden.
Am vierten Abend wurde es richtig hart. Ich war endlich davongedämmert, als der Albtraum kam und mich nach nur ein paar Minuten Schlaf wieder weckte. Ich war so verstört, dass ich zitterte. Nick war in seinem Zimmer und schlief tief und fest; ich konnte ihn durch den Flur atmen hören. Ich versuchte, mich darauf zu konzentrieren, aber es half nicht gegen den Druck in meiner Brust, die sich immer stärker zuschnürte. Statt dort liegen zu bleiben und zu versuchen, mich zu beruhigen, beschloss ich, ihn zu wecken. Ich glaubte, ohne ihn die Nacht nicht überstehen zu können.
»Nick, Nick«, flüsterte ich und stupste leicht gegen seinen Arm. Dabei kam ich mir wie eine Irre vor.
»Hä?«, fragte er schläfrig, als er langsam aufwachte, und rieb sich mit den Fäusten die Augen. »Si, was ist passiert?« In seiner Stimme schwang Panik mit.
»Es tut mir leid, es tut mir leid«, murmelte ich und begann schon wieder, zu weinen. Ich saß auf seiner Bettkante und kam mir so töricht vor. »Ich halte es einfach nicht aus. Ich weiß nicht, wie ich das je durchstehen soll«, brachte ich unter Tränen hervor und zog mir das Unterhemd über die Beine, um mich vor der Demütigung des Augenblicks zu schützen.
Er setzte sich auf und zog mich an sich heran, indem er seine Arme um meine Taille legte. Ich fühlte mich leicht wie eine Feder. Er begann, mein Haar zu streicheln. Mehr brauchte ich nicht. Fast augenblicklich spürte ich, wie die Angst von mir abfiel.
»Es tut mir leid, ich weiß, ich hätte dich nicht wecken sollen«, sagte ich und versuchte, in dem dunklen Raum den Radiowecker zu erkennen. Es war drei Uhr morgens. Ich spürte Nick, seinen perfekten Körper unter einem weichen, knittrigen T-Shirt. Es war mir so peinlich, aber ich war völlig unfähig, die Nacht ohne ihn zu überstehen.
»Pst, Sienna. Entschuldige dich bitte niemals bei mir. Du weißt, ich würde alles für dich tun«, sagte er mit seiner tiefen Stimme.
Ich hielt mich nur noch mehr an ihm fest. Ich dachte daran, wie sehr ich ihn liebte. Wie tief dieses Gefühl ging. Daran, dass es mehr war als nur die ungestüme Lust, die ich schon öfter erlebt hatte – etwas viel Mächtigeres. Tiefer als der Schmerz, den ich durchmachte, tiefer als der See aus Tränen, die ich geweint hatte. Ich versenkte mich in seiner Liebe. Sie heilte mich – ich stellte fest, dass ich inzwischen neben ihm lag und er die Arme um mich gelegt hatte. Ich streichelte das Haar auf seinem rechten Unterarm.
»Sienna«, begann er, als ich gerade in einen Zustand emotionaler Erschöpfung abglitt.
»Ja.«
»Du weißt, dass ich dich niemals verlassen werde, oder?«
Schweigen. »Wie meinst du das, Nick?«
»Ich … na ja, ich werde immer ein Teil deines Lebens sein, in welcher Form auch immer. Ich werde nie einfach weggehen«, flüsterte er.
Aber woher wollte er das wissen? Wie konnte jemand so etwas versprechen? Ich sagte nichts und sank in den Schlaf.
Am Ende der beiden Wochen fühlte ich mich aus einem unerfindlichen Grund deutlich besser. Bis man über einen solchen Verlust hinwegkommt, dauert es sehr lange – Jahre sogar –, und ich wusste, dass ich noch als alte Frau an diese Tage zurückdenken und spüren würde, wie etwas Gewaltiges mich überflutete; auch wenn ich heute noch nicht wusste, was das sein würde. Aber langsam fand ich wieder zu mir. Ich begann, das Haus zu putzen, wenn Nick arbeiten war. Ich musste mich aus diesem Elend herausziehen. Und wenn ich die Wasserhähne polierte und den Fußboden bis zum Erbrechen saugte, fühlte ich mich besser. Ich staubte sogar die Decken ab.
Und ich begann, raffinierte Abendessen für ihn zuzubereiten, mit exotischen Gewürzen und Riesengarnelen – lauter Dinge, die ich nie zuvor ausprobiert hatte. Schließlich wagte ich mich sogar wieder nach draußen und ging zum Borough Market, wo man alle möglichen aufregenden Zutaten
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