Eindeutig Liebe - Roman
jetzt erst mal eine Weile. Wir mussten ein paar leichte Verbrühungen an seinen Beinen versorgen, aber die werden in null Komma nichts heilen.« Er neigte den Kopf und bedachte mich mit diesem mitleidigen Blick, den ich nur zu gut kannte.
»Vielen Dank – ihr wart fantastisch, wie immer«, erwiderte ich, wischte mir über die Augen und ging auf ihn zu, um sie hinauszubegleiten.
»Nein, nein, du brauchst dich nicht zu verabschieden. Schönes Restwochenende«, brummte er, als er – ein wenig zu spät – begriff, dass er etwas relativ Wichtiges unterbrochen hatte.
Plötzlich war es still im Raum. Ich drehte mich zu Nick um. »Geh jetzt bitte«, sagte ich und versuchte, nicht zu brüllen. Noch immer kamen aus meinem Mund Wörter, mit denen mein Gehirn eigentlich gar nicht einverstanden war. Ich schämte mich unglaublich. Und ich wollte, dass Nick ganz, ganz weit weg war.
»Aber hör doch mal, Sienna«, bat er und streckte die Hände nach mir aus.
»Bitte zwing mich nicht, zu schreien, Nick. Geh jetzt«, wiederholte ich, kehrte ihm den Rücken zu und setzte mich auf die Bettkante.
Ich hörte das Klicken, mit dem die Tür ins Schloss fiel. Ich fühlte mich innerlich komplett leer und fragte mich, ob wir uns je wieder so nahe sein würden. Am liebsten wäre ich Nick hinterhergerannt und hätte ihn angefleht zu bleiben. Doch stattdessen hielt ich den Mund und bewegte mich nicht von der Stelle. Vielleicht war das nur einer dieser Augenblicke gewesen, wo die Menschen sich aufeinander zu bewegen wie Magneten, von aufgepeitschten Emotionen in die Arme des anderen getrieben, ohne dass es sich jemals wiederholt. Langsam dämmerte mir, dass ich verdammt gemein zu ihm gewesen war. Dass wir uns davon vielleicht nie wieder erholen würden.
Nach fünf Minuten ging ich ins Wohnzimmer zurück, stellte mich vor meinen Vater und versuchte, das Ausmaß dessen zu begreifen, was gerade geschehen war.
»Das hier hat er dir mitgebracht, Si«, sagte Dad und wedelte mit einer CD herum. Das riss mich aus meinen Gedanken. Die CD reflektierte das Licht der Deckenlampe und blendete mich damit. »Ich glaube, er mag dich. Das weißt du doch, oder?«, fuhr er fort, und jetzt sah er ernster aus.
»Wie kommst du denn darauf?«, wollte ich wissen.
Er zögerte, ehe er antwortete: »Das kann ich nicht genau sagen, Liebes. Ich erkenne so etwas eben, wenn ich es sehe. Sei nicht fies zu ihm. Ich habe gehört, wie du ihn angeschrien hast, Sienna – das ist nicht gut.«
Ich zog eine Augenbraue hoch und sah ihn an. Mir war schlecht vor lauter Schuldgefühlen.
Abends hörte ich mir die CD an. Es waren wunderschöne Lieder von einer Band, deren Name mir überhaupt nichts sagte. Ich lauschte den Texten und versuchte herauszufinden, was er mir damit sagen wollte, denn ich war noch immer zu wütend auf ihn. Ich wollte ihn anrufen und mich entschuldigen. Aber das konnte ich nicht.
Nick
Diese Sache ließ sich nur auf eine Weise hinter sich bringen: mit Bier. Mit viel Bier.
Es war Zeit für eine Sitzung, und der Treffpunkt heute Abend war der Biergarten am Grand Union in Brixton.
Die Jungs begriffen sofort, dass es ernst war. Als Erstes schrieb ich Ross eine SMS und hoffte, dass er nicht vorhatte, den ganzen Abend lang seiner Frau in der Badewanne in die Augen zu starren und ihr Frühlingsrollen mit den Zehen zu servieren. Natürlich tat er das nicht. Er war zwar frisch verheiratet, aber er war eben Ross. Mein bester Freund: verlässlich und immer durstig. Also rief er die Truppe zusammen, und wir trafen uns, um meine weitere Vorgehensweise zu diskutieren.
Zu meiner Enttäuschung begann die Erörterung jedoch mit einer detaillierten Analyse dessen, was für ein Idiot ich doch war.
»Moment mal. Moment!«, rief Ross, nachdem er einen großen Schluck genommen hatte, und zog die Aufmerksamkeit der Runde komplett auf sich, wie ein Heeresoffizier. Er war eindeutig der Rädelsführer der Gruppe, ein gut gebauter Mann mit breiten Schultern und einem kantigen Kinn. Ein bisschen sah er aus wie ein lebender Ken.
»Du willst damit sagen, dass Siennas Dad ohnmächtig wurde und du dachtest, er sei tot, und ihm deshalb erzählt hast, dass du seine Tochter liebst?«, fragte er, die kräftigen, behaarten Arme vor der Brust verschränkt.
»Na ja, das ist nicht ganz so einfach wie …«, versuchte ich kläglich, mich zu verteidigen.
»Wie was, Nick? Denn für mich hört es sich genau so an!«, schrie mein angeblich bester Freund und lachte schallend, knallte die
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