Eine andere Art von Ewigkeit: Lilith-Saga: 2 (German Edition)
die weißgelb gestrichenen Stangen, um gleich darauf das nächste Hindernis des Sprungplatzes ins Visier zu nehmen.
Das rhythmische Schnauben des Hengstes drang bis zu Julian Becker, der auf der angrenzenden Veranda des Reitstalles saß. Julian seufzte tief und zwang sich dazu, sich von der makellosen Schönheit des Andalusiers zu trennen. Er wandte sich dem Ordner zu, der vor ihm auf einem rustikalen Holztisch lag.
Er blätterte die ersten Seiten durch.
Computergedruckte Listen, Namen, persönliche Daten – Becker übersprang die Formalien. Dann kamen die ersten Bilder. Sie waren von einer Digitalkamera geschossen, von hervorragender Qualität, jedes Detail war sichtbar.
Abgetrennte Gliedmaßen - grotesk verdrehte Körper in riesigen Blutlachen - herausgeschnittene Organe - Leichen, ohne Köpfe - und immer wieder entstellte tote Gesichter, in denen die Augen fehlten.
Ein Pferd wieherte.
Julian riss seinen Blick von den grässlichen Fotos los, die ihm das Grauen förmlich entgegenschrien, und hob seinen Kopf. Clement Hohenberg ragte vor ihm auf. Er zügelte gerade seinen Schimmel, sprang geschmeidig aus dem Sattel und band das Tier am Holm der Veranda an. Das Pferd schnaubte, kratzte mit dem Vorderhuf, seine Flanken und sein Hals glänzten schweißnass.
Clement stieg die drei Stufen zu Julian empor, nahm sich ein Glas Mineralwasser und trank in kleinen, bedächtigen Schlucken.
„Und?“, fragte er.
„Ein wirklich herrliches Pferd“, antwortete Julian.
„Das habe ich zwar nicht gemeint, aber der Hengst ist tatsächlich außergewöhnlich - obwohl er das letzte Hindernis verweigert hat.“
„Vielleicht war das Hindernis zu hoch und das Tier hatte einfach Angst“, nahm Julian den Schimmel in Schutz. Warum er sich für das Tier einsetzte, wusste er selbst nicht.
„Die Mauer ist nicht zu hoch. Die Angst werde ich dem Hengst heute noch austreiben, sie ist unbegründet.“
Clement tippte mit seinem Zeigefinger auf den Ordner, der jetzt wieder geschlossen war. „Was sagen Sie zu den Bildern?“
„Ich habe so etwas noch nie gesehen. Es ist erschreckend, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt. Was meint denn die Polizei dazu?“
„Die Polizei?“, Clement verzog leicht verärgert sein Gesicht. „Diese Dilettanten haben jede Menge Untersuchungen angestellt, Befragungen durchgeführt, Spuren gesammelt und so weiter und so weiter. Und damit haben sie mir den Betrieb aufgehalten. Mehr auch nicht.“
„Wie gedenken Sie, mit den Vorkommnissen umzugehen?“, fragte Julian.
Clement zuckte mit den Schultern. „Mir persönlich ist es im Prinzip völlig gleichgültig, warum sich diese Wissenschaftler gegenseitig massakrieren. Alles was mich interessiert, ist mein Zeitplan, der jedoch für solche Ablenkungen keinen Raum lässt. Deswegen habe ich veranlasst, den Personalschlüssel deutlich zu erhöhen. Gleichzeitig habe ich zwei Dutzend Psychologen angestellt, die sich rund um die Uhr um die Mitarbeiter der Anlage kümmern. Ich bin zuversichtlich, dass diese Maßnahmen greifen werden und es zu keinen weiteren Vorfällen kommt. Vermutlich hatte Müller Recht und die Wissenschaftler waren schlicht und ergreifend überlastet. Das sind sensible Naturen. Die halten Dauerstress nicht aus und drehen durch.“
Clement lachte, doch Julians Gesichtsausdruck blieb skeptisch.
„Sie haben dennoch Bedenken?“, fragte Clement.
Julian erinnerte sich an das, was er in der Anlage gespürt hatte und was sich deutlich in den Fotos widerspiegelte. Doch er hütete sich, seine Gedanken auszusprechen. Wie hätte er Clement Hohenberg auch erklären können, dass er in dem Labor fast körperlich eine absolut zerstörerische Energie wahrgenommen hatte? Dass ihm das konzentrierte Böse das Atmen schwer gemacht hatte?
Clement Hohenberg würde das nie verstehen.
„Was mir Sorgen macht“, erwiderte Julian stattdessen, „ist die Finanzierung des Projektes.“
„Was beunruhigt Sie konkret?“
„Was machen wir, wenn Le Maas-Heller die Drohung wahrmacht und sich aus dem Vorhaben zurückzieht? Die Finanzierungslücke, die dann entstehen würde, wäre gigantisch.“
„Das braucht Sie nicht zu kümmern“, wiegelte Clement Hohenberg ungehalten ab. „Erstens bin ich zuversichtlich, dass sich der Zeitplan einhalten lässt. Und wenn nicht, verfügt meine Familie über genügend Vermögen, um das abzufangen. …Ehrlich gesagt, wäre ich nicht einmal unglücklich, wenn sich unser Compagnon tatsächlich aussteigen würde. Die zu
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