Eine andere Art von Ewigkeit: Lilith-Saga: 2 (German Edition)
Johannes nicht so lange alleine lassen“, mahnte Asmodeo.
„Ihr beide kommt inzwischen sehr gut miteinander aus“, konstatierte ich das Offensichtliche.
„Das stimmt. Anfangs habe ich mich mehr aus einer Art Pflichtgefühl heraus mit ihm abgegeben, denn ich stand und stehe immer noch tief in seiner Schuld. Aber mittlerweile…“, Asmodeo wirkte nachdenklich, „aber mittlerweile genieße ich es, wenn ich mit ihm zusammen bin. Es macht mir nahezu Vergnügen.“
„Selbst wenn du beim Poker sämtliche Streichhölzer gegen ihn verlierst?“, grinste ich.
Asmodeo lachte. Er stand auf und zog mich mit sich hoch. „Besonders dann, Lilith. Besonders dann.“
Wir gingen über das ehemalige Militärgelände nach Hause. Die Wege waren hier nicht mehr als kleine Trampelpfade, es roch intensiv nach wilden Kräutern und Knoblauchblüten. Die Dünen hielten den Wind von uns ab und die Sonne zeigte ihre wahre Kraft. Wir schlenderten Hand in Hand dahin und genossen die Gegenwart.
Bald tauchten die ersten Ferienbungalows unserer Siedlung auf. Und dann hörte ich es. Es war eindeutig Mozart. Er bellte - trocken und durchdringend.
Er spielte nicht. Er jagte nicht. Er beschützte nicht.
Er war aufgeregt.
Er rief um Hilfe.
Asmodeo und ich warfen uns einen Blick zu. Nur einen Wimpernschlag später ließ Asmodeo meine Hand los, wandte sich ab und stürzte unserem Haus entgegen. Ich spurtete so schnell ich konnte hinterher.
Bei unseren gemeinsamen Joggingrunden hatte sich Asmodeo stets zurückgehalten. Jetzt rannte er in vollem Tempo und war sofort an die hundert Schritt vor mir. Statt den Weg über die Straße zu nehmen, hechtete er über den hüfthohen Zaun, der die Siedlung abgrenzte, hastete zwischen den Ferienhäusern hindurch und verschwand aus meinem Blickfeld.
Ich folgte ihm und mein Herz schlug mir bis zum Hals. Inständig hoffte ich, dass mit Johannes alles in Ordnung war. Ich wusste, ich würde es mir nie verzeihen können, wenn ihm etwas zugestoßen wäre.
Endlich erreichte ich unser Grundstück, rannte die Auffahrt hinauf und erfasste mit einem Blick die Szene. Johannes saß in seinem Rollstuhl. Er hatte eine Platzwunde an der Stirn, die Haut an seinen Händen war aufgeschürft. Ein Stück neben ihm lagen die Krücken, die wir für den Fall angeschafft hatten, dass seine Lähmung zurückging. Er musste mit seinem Rollstuhl ins Haus gefahren sein und sie sich irgendwie aus dem Abstellraum geholt haben, während wir weg waren. Er musste versucht haben, zu laufen.
Der Verband an seiner Brust war verrutscht und mit hellroten Tupfern überzogen. Die Wunde hatte sich wieder geöffnet.
Johannes war blass. Doch worüber ich am meisten erschrak war der vollkommen verzweifelte Ausdruck in seinen Augen.
Asmodeo stand etwas abseits. Er hielt Verbandszeug in der Hand und wirkte ratlos. Mozart hatte sich in eine Ecke verkrochen und ließ schuldbewusst seine Ohren hängen.
„Asmodeo, würdest du bitte mit Mozart spazierengehen?“, bat ich, während ich meine Hand nach dem Verbandskasten ausstreckte.
Asmodeo zögerte, nickte dann stumm, bevor er mir den Arzneikoffer entgegenhielt.
Was jetzt getan werden musste, war allein meine Aufgabe.
3
Elisabeth hatte ihr Medaillon geöffnet und lauschte gedankenverloren der Melodie der eingebauten Spieluhr, bis sie endete. Ihre Züge wirkten entrückt, beinahe friedlich. Sie hatte ihr Essen nicht angerührt.
Jetzt stand sie vom Tisch auf und ging bis an den Zaun, ohne die perfekt getrimmte Schönheit ihres üppig blühenden Gartens zu registrieren. Unter ihr breitete sich die Stadt aus. Sie sah auf die Hochhäuser herab, blickte tief hinein in die Straßenschluchten. Bis hinauf zu ihrem Penthaus verlor sich das Motorengeräusch. Es wirkte wie ein fernes Summen kleiner Insekten.
Bald würde sie all dies mit ihrer Familie teilen. Sehr bald schon…
Sie hatte eine Scheibe Brot vom Tisch mitgenommen. Noch immer in Gedanken zupfte sie daran und warf die Krümel achtlos zu Boden. Ein leises Gurren ertönte, gefolgt von Flügelschlagen. Erst eine, dann mehrere Tauben kamen herbei. Sie ließen sich neben ihr nieder und pickten mit nickenden Köpfen die Brotkrumen auf.
Cunningham hatte das Handy von Lilith nicht orten können. Sie hatten zwar die Telefone ihrer Großmutter und ihrer Freundinnen abgehört, aber auch das hatte nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Die Anrufe ließen sich nicht zurückverfolgen und Lilith hatte allen falsche Angaben über ihren Aufenthaltsort
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