Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan
schien sich tatsächlich zu freuen. Er hieß mich anhalten. Ich parkte neben der Straße. Er legte mir die Hand auf die Schulter und sah mir durchdringend in die Augen.
»Alles, was ich dir heute gesagt habe, war ein Trick«, sagte er rundheraus. »Es ist die Regel, daß ein Wissender seinem Schüler eine Falle stellen muß. Heute habe ich dir eine Falle gestellt und dich mit einem Trick zum Lernen gebracht.« Ich war sprachlos. Ich konnte meine Gedanken nicht ordnen. Don Juan erklärte mir, daß die ganze Auseinandersetzung mit der Frau nur eine Falle gewesen war. Daß sie ihn nie bedroht hatte. Und daß es seine Aufgabe war, mich unter den besonderen Bedingungen von Gefahr und Macht, die ich erfahren hatte, als ich sie aufzuspießen versuchte, mit ihr in Verbindung zu bringen. Er lobte meine Entschlossenheit und nannte sie eine Machtdemonstration, die der Frau zeigte, daß ich zu großen Anstrengungen fähig war. Don Juan sagte, daß ich, auch wenn mir dies nicht bewußt war, nichts anderes getan hatte, als vor ihr anzugeben. »Du hättest sie nie berühren können«, sagte er. »Aber du hast ihr deine Klauen gezeigt. Sie weiß jetzt, daß du keine Angst hast. Du hast sie herausgefordert. Ich habe sie benutzt, um dich mit einem Trick zu überlisten, weil sie mächtig und unbarmherzig ist und niemals vergißt. Männer sind für gewöhnlich zu beschäftigt, um unbarmherzige Feinde zu sein.« Ich war furchtbar verärgert. Ich sagte ihm, daß man nicht mit den tiefsten Gefühlen und der Treue eines Menschen spielen sollte.
Don Juan lachte, bis ihm die Tränen über die Wangen liefen, und ich haßte ihn. Ich hatte den überwältigenden Wunsch, ihn zu schlagen und wegzufahren. In seinem Lachen lag jedoch ein so eigenartiger Rhythmus, daß ich davon fast wie gelähmt war. »Sei nicht so böse«, sagte Don Juan beruhigend. Dann sagte er, daß sein Tun alles andere als eine Farce gewesen war, daß auch er vor langer Zeit sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, als sein eigener Wohltäter, genau wie er soeben mich, mit einem Trick hereingelegt hatte. Don Juan sagte, sein Wohltäter sei ein grausamer Mann gewesen, er hatte sich um ihn nicht so gekümmert, wie er, Don Juan, sich um mich kümmerte. Sehr ernst fügte er hinzu, daß die Frau ihre Stärke an ihm ausprobiert und tatsächlich versucht hatte, ihn zu töten.
»Jetzt weiß sie, daß ich mit ihr gespielt habe«, sagte er lachend, »und sie wird dich dafür hassen. Mir kann sie nichts anhaben, aber sie wird es an dir auslassen. Sie weiß noch nicht, wieviel Macht du hast, daher wird sie kommen, um dich nach und nach auf die Probe zu stellen. Jetzt hast du keine andere Wahl, als zu lernen, um dich zu verteidigen. Oder du wirst dieser Dame zum Opfer fallen. Sie ist kein Trick.« Don Juan erinnerte mich daran, wie sie davongeflogen war. »Sei nicht böse«, sagte er. »Es war kein gewöhnlicher Trick. Es war eine Regel.«
Irgend etwas in der Art, wie die Frau vor mir geflohen war, «konnte einen wirklich verrückt machen. Ich hatte es selbst beobachtet: Im Bruchteil einer Sekunde war sie über die ganze Breite des Highway gesprungen. Mit meinen eigenen Augen hatte ich das gesehen, also war daran nicht zu zweifeln. Von diesem Augenblick an konzentrierte ich meine ganze Aufmerksamkeit auf diesen Vorfall, und nach und nach sammelte ich »Beweise« dafür, daß sie mich wirklich verfolgte. Das Ergebnis war schließlich, daß ich unter dem Druck meiner irrationalen Angst die Lehrzeit abbrechen mußte.
Einige Stunden später, am frühen Nachmittag, kehrte ich zu Don Juan zurück. Offenbar erwartete er mich. Er kam mir entgegen, als ich aus dem Auto stieg, und musterte mich mit neugierigen Augen, wobei er mehrmals um mich herumging. »Warum diese Nervosität?« fragte er, bevor ich Zeit hatte, etwas anderes zu sagen. Ich erklärte ihm, daß mich an diesem Morgen irgend etwas erschreckt hatte und daß ich, wie schon früher einmal, den Eindruck gehabt hatte, daß etwas um mich herumschlich. Don Juan setzte sich und schien in Gedanken zu versinken. Sein Gesicht war ungewöhnlich ernst. Er schien müde zu sein. Ich setzte mich neben ihn und ordnete meine Notizen. Nach einer langen Pause hellte sich sein Gesicht auf, und er lächelte.
»Was du heute morgen gespürt hast, war der Geist des Wasserloches«, sagte er. »Ich habe dir gesagt, daß du auf unerwartete Begegnungen mit diesen Kräften gefaßt sein mußt. Ich dachte, du hättest verstanden.«
»Das habe ich.«
»Warum dann
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