Eine andere Wirklichkeit. Neue Gespräche mit Don Juan
meinst du damit, daß ich die Dinge meiner Welt wählen soll?«
»Ein Krieger begegnet diesen unerklärlichen und unbeugsamen Kräften, weil er sie absichtlich sucht, daher ist er immer auf die Begegnung vorbereitet. Du hingegen bist nie darauf vorbereitet. Wenn diese Kräfte wirklich zu dir kommen, werden sie dich überraschen. Die Furcht wird deine Öffnung öffnen, und dein Leben wird unweigerlich entfliehen. Das erste, was du tun mußt, ist also vorbereitet sein. Denk daran, daß der Verbündete jeden Augenblick vor dir auftauchen kann und du für ihn bereit sein mußt. Die Begegnung mit einem Verbündeten ist keine Party und kein Sonntagspicknick. Ein Krieger hat die Verantwortung, sein Leben zu schützen. Wenn also eine jener Kräfte dich anrührt und deine Öffnung öffnet, dann mußt du dich bewußt anstrengen, sie selbst zu schließen. Zu diesem Zweck mußt du eine Anzahl ausgewählter Dinge haben, die dir viel Frieden und Freude geben, Dinge, die du bewußt einsetzen kannst, um deine Gedanken von der Furcht abzulenken, um deine Öffnung zu schließen und dich stark zu machen.«
»Welche Dinge sind das?«
»Vor Jahren habe ich dir mal gesagt, daß ein Krieger in seinem täglichen Leben sich stets entschließt, den Weg mit Herz zu gehen. Diese ständige Entscheidung, dem Weg mit Herz zu folgen ist es, was den Krieger vom Durchschnittsmenschen unterscheidet. Er weiß, daß er sich auf dem Weg mit Herz befindet, wenn er eins mit ihm ist, wenn er auf seinem Weg Frieden und Freude findet. Die Dinge, die ein Krieger zu seinen Schilden wählt, sind die Dinge eines Weges mit Herz.«
»Aber du sagtest, ich bin kein Krieger, wie kann ich also einen Weg mit Herz wählen?«
»Du stehst unmittelbar an deinem Wendepunkt. Ich möchte sagen, bisher hattest du es nicht wirklich nötig, wie ein Krieger zu leben. Das ist nun anders; jetzt mußt du dich mit den Dingen eines Weges mit Herz umgeben, und du mußt den Rest abtun, sonst wirst du bei der nächsten Begegnung zugrunde gehen. Laß mich noch hinzufügen, daß du jetzt nicht mehr um die Begegnung zu bitten brauchst. Ein Verbündeter kann dich im Schlaf überraschen; während du mit Freunden sprichst; während du schreibst.«
»Seit Jahren versuche ich aufrichtig, deinen Lehren entsprechend zu leben«, sagte ich. »Offenbar ist es mir nicht gelungen. Wie kann ich es jetzt besser machen?«
»Ich glaube, du sprichst zu viel. Du mußt aufhören, mit dir selbst zu sprechen.«
»Was willst du damit sagen?«
»Du sprichst zu viel mit dir selbst. Darin bist du nicht der einzige. Jeder von uns tut das. Wir führen ständig ein inneres Gespräch. Denk mal darüber nach. Was tust du, sobald du allein bist?«
»Ich spreche mit mir selbst.«
»Worüber sprichst du mit dir?«
»Ich weiß nicht; über alles, glaube ich.«
»Ich will dir sagen, worüber wir mit uns selbst sprechen. Wir sprechen über unsere Welt. Tatsächlich halten wir unsere Welt mit unserem inneren Gespräch aufrecht.«
»Wie tun wir das?«
»Wann immer wir aufhören, mit uns zu sprechen, ist die Welt stets so, wie sie sein sollte. Wir erneuern sie, wir stecken sie mit Leben an, wir halten sie aufrecht mit unserem inneren Gespräch. Und nicht nur das, wir wählen auch unsere Wege, indem wir mit uns selbst sprechen. Aber wir wiederholen dieselbe Wahl immer wieder bis zu dem Tag, an dem wir sterben, weil wir immer und immer wieder, bis zu dem Tag, an dem wir sterben, dasselbe innere Gespräch führen. Ein Krieger ist sich dessen bewußt und bemüht sich, dieses Gespräch einzustellen. Das ist das letzte, was du wissen mußt, wenn du leben willst wie ein Krieger.«
»Wie kann ich aufhören, mit mir selbst zu sprechen?«
»Vor allem mußt du deine Ohren benutzen, um deinen Augen etwas von ihrer Bürde zu nehmen. Wir sind von Geburt an gewöhnt, unsere Augen zu benutzen, um die Welt zu beurteilen. Wir sprechen mit anderen wie mit uns selbst hauptsächlich über das, was wir sehen. Ein Krieger ist sich dessen bewußt und horcht auf die Welt; er horcht auf die Geräusche der Welt.« Ich legte meine Notizen beiseite. Don Juan lachte und sagte, er wolle damit nicht sagen, daß ich die Sache übers Knie brechen müsse und daß das Horchen auf die Geräusche der Welt allmählich und mit viel Geduld geübt werden müsse. »Ein Krieger ist sich bewußt, daß die Welt sich verändert, sobald er aufhört, mit sich zu sprechen«, sagte er, »und er muß für diesen gewaltigen Schock vorbereitet sein.«
»Was meinst du damit,
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