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Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bett, starrte auf die Uhr und wußte, daß sie aufstehen und wegfahren mußte. Es gab kein Ausweichen. Für das Abitur war jede Stunde wichtig.
    Bevor sie herunterkam ins Frühstückszimmer, wo ihr Tisch bereits gedeckt war, machte sie sich wieder einen leichten Druck, nur so viel, daß es die Angst bezwang, daß sie ruhiger wurde und gleichgültig gegenüber dem ›Scheißleben‹, wie es Freddy genannt hatte.
    Nüchtern trug sie in ihr Tagebuch ein:
    »Heute morgen wieder ein Druck. Ein halbes Halbe H 4, mit Ascorbinsäure und Milchpulver vermischt. Es flutschte nur so in die Ader, tat gut, ich fühle mich super! Wenn ich heute in Mathe drankomme, können die was erleben! Da drehe ich vielleicht auf! Mir ist, als ob ich Flügel hätte!
    Bestandsaufnahme: Nur noch zwei Drucke im Kasten. Wo bekomme ich neue Dope her? Ich kann mich noch nicht in der Disko sehen lassen, auch nicht beim Straßenstrich an der Hauptwache oder in den Anlagen, wo die Dealer herumlungern. Freddy hängt mir noch am Kleid, da wird noch zuviel gefragt. Es ist ja bekannt, daß die Kripo von der Sonderkommission Typen herumlaufen hat, die genau so aussehen, als gehörten sie zur Szene, und schon ist man hops! Nein, lieber noch warten! Aber was mache ich mit nur noch zwei Drucken?! Ich kann daraus vier ganz dünne machen, die helfen wenigstens halbwegs über den Turkey weg, aber dann? Dann stehe ich voll aufm Schlauch! Da muß vorher noch was geschehen, sonst gehen die Dachpfannen hoch …«
    Monika war dann fröhlich in die Schule gefahren. Vom Hausmädchen hörte sie, daß die ›Gnädige Frau‹ noch schlafe. Mama ist also brav zu Hause, dachte Monika. Und heute kommt auch Papa zurück; die Familie ist wieder komplett. Diese mustergültige, eiserne, angesehene Familie.
    O du liebe Scheiße, wie beknackt ist doch das Leben!
    Vor der Schule bremste Monika so abrupt, daß sie fast über die Lenkstange geflogen wäre und nur mit Mühe das Gleichgewicht behielt, um die Beine seitlich auf die Straße zu stemmen. Nur ein paar Meter vom Schultor entfernt, vor einem grünen Luxusauto stehend, winkte ihr Makaroff zu. Er sah blendend aus in seiner Sportkombination, der Wind zerzauste seine schwarzen Locken, das Hemd trug er drei Knöpfe weit offen. Ein großes goldenes Doppelkreuz, wie es die Ostkirche verehrt, glänzte auf seiner dicht behaarten Brust. Hollywood in Frankfurt.
    Monika schob das Moped vor sich her, als wäre es ein Schutzschild. Makaroff kam ihr zwei Schritte entgegen und streckte die Arme nach ihr aus. Sie ignorierte die Vertraulichkeit und musterte ihn mit Zurückhaltung.
    »Was wollen Sie denn hier?« fragte sie. »Wollen Sie die Abiturklasse verrückt machen?!«
    »Ich mußte dich wiedersehen, Monika.« Makaroffs Stimme hatte einen melodischen Klang, der seinen Akzent noch verstärkte. »Ich mußte immer wieder an dich denken. Was war da einfacher, als hierherzukommen?«
    »Ich habe Ihnen gesagt, es hat keinen Zweck mit uns!« Monika blickte sich um. Sie war spät dran, die Klassenkameradinnen waren schon längst im Gebäude. Einige Nachzügler kümmerten sich nicht um die beiden.
    »Wir waren schon per du, Monika.«
    »Wenn's Ihnen Spaß macht.« Sie hob die Schultern. Makaroff betrachtete sie mit größtem Interesse. Sie ist anders als ihre Mutter, das hatte er schon längst festgestellt. Hätte sie sich sonst mit einem Typ wie Freddy eingelassen? Und doch paßte das Abenteuer Freddy in gewisser Weise auch zu Maria Barrenberg: Fürsorge, Opfer für die anderen, Hilfe. Freilich war Monika, ohne es verhindern, ohne an Flucht denken zu können, in den Strudel gezogen worden, dem sie Freddy hatte entreißen wollen; ihr Abstieg vollzog sich schon nicht mehr stufenweise – sie stürzte in den Abgrund ohne Chance, sich irgendwo anzuklammern. Das unterschied sie von der Mutter. Maria hatte die Leidenschaft des Kampfes bewiesen. Monika demonstrierte die Leidenschaft des Unterganges. Aber sie hatte noch nicht begriffen, wie es um sie stand.
    »Was willst du hier?« fragte sie. Sie blickte auf den Wagen. »Hattest du nicht einen weißen Schlitten?«
    »Das wechselt.« Makaroff lächelte. »Ich habe einige im Stall. Du solltest sie dir einmal ansehen.«
    »Warum? Das ist kein Speck, mit dem man Mäuse fängt.«
    »Ich würde dir einen schenken.«
    »Bekloppt! Mein Vater fragt dann: Ist der dir zugelaufen?!«
    »Du könntest immer mit ihm fahren, wenn du Lust hast. Er steht für dich bereit, er gehört nur dir! Du kannst dir einen aussuchen. Ist

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