Eine Art von Zorn
Haus verließen, spülte sie die Gläser ab, stellte sie weg und leerte den Aschenbecher, den ich benutzt hatte. Ich versuchte, noch etwas über ihre Pläne herauszubekommen, aber sie schwieg.
Sie fuhr wieder zurück zur Corniche hinauf. Etwa einen halben Kilometer vor dem Relais Fleuri fuhr sie an den Straßenrand und hielt an. Sie behielt die rechte Hand am Zündschlüssel, als sie sich mir zuwandte.
»Ich möchte gern, daß Sie von hier aus zu Fuß zum Relais zurückgehen.«
»Was geschieht mit diesem Wagen? Sie wissen, er gehört nicht mir.«
»Ich werde ihn für Sie beim Relais abstellen. Dort habe ich meinen eigenen Wagen geparkt. Ich möchte nicht, daß Sie das Kennzeichen notieren oder mir folgen.«
»Oh, ich verstehe.« Ich machte die Tür auf. »Falls Ihnen noch irgend etwas einfallen sollte und Sie sich mit mir in Verbindung setzen wollen, wird Adèle wissen, wo ich zu finden bin. Au revoir , Madame, und vielen Dank.«
»Monsieur.«
Ich stieg aus und schloß die Tür. Sie fuhr weg. Zehn Minuten später erreichte ich das Relais Fleuri. Es lag im Dunkeln. Mein Wagen stand davor. Ich fuhr nach Nizza hinunter. Ich überlegte, ob ich anhalten sollte, um Sy anzurufen, entschloß mich dann aber, es nicht zu tun. Ich würde das Tonband per Telefon nach Paris überspielen müssen, und das würde in einer öffentlichen Fernsprechzelle unangenehm sein. Außerdem waren die Straßen frei und trocken. Es würde Sy nicht weh tun, noch eine halbe Stunde zu warten.
Ich erreichte Mougins kurz nach Mitternacht. Der Nachtportier brauchte zehn Minuten, um die Verbindung mit Paris herzustellen. Sy war schon am Apparat, als ich den Hörer abnahm.
»Haben Sie sie gesehen?«
»Ja.«
»Großartig! Wo?«
»In einem unbewohnten Haus außerhalb von Nizza.« Ich schilderte ihm das Treffen und fuhr dann fort: »Ich habe ein Tonband. Wollen Sie es hören?«
»Warten Sie einen Augenblick, damit ich einschalten kann. In Ordnung, fangen Sie an.«
»Der erste Teil in meinem Wagen. Dann gehen wir ins Haus.«
»Schießen Sie los.«
Ich klemmte den Miniaturlautsprecher am Telefon fest und spielte das Band ab. Dann sagte ich: »Das wär’s.«
Sy antwortete nicht gleich; ich konnte hören, wie er mit jemandem im Büro darüber sprach, wahrscheinlich mit Ed Charles, dem Mann, der die Artikel überarbeitete. Ich konnte nicht verstehen, was sie sagten. Dann wandte sich Sy wieder mir zu.
»Piet?«
»Ja.«
»Wie beurteilen Sie das Ganze? Ist sie ehrlich? Was war Ihr Eindruck?«
»Was sie da von der Mordnacht erzählt, scheint mir glaubwürdig.«
»Uns auch. Und?«
»Wie Sie vielleicht aus den Fragen, die ich gestellt habe, geschlossen haben, fiel es mir schwer, den Rest zu glauben.«
»Vielleicht glaubt sie es. Nachträglicher Schock und dergleichen Blödsinn. Neurotische junge Frau sieht Mörder unterm Bett.«
»Ich bin der Meinung, daß es genauso klingen sollte.«
»Könnte sein. Gut. Wir werden alles nochmals analysieren, wenn es abgeschrieben ist. Und wie steht’s mit dem Rest der Geschichte? Ich nehme an, daß die Adèle, die auf dem Band erwähnt ist, die Mittelsperson ist. Wie ist unser Mann in Mougins an sie herangekommen? Was gibt es da für eine Story?«
»Keine Story. Ich habe es Ihnen gesagt. Ich habe eine Abmachung getroffen.«
»Nun, die können Sie jetzt vergessen. Los! Wir werden es auf Band aufnehmen.«
»Tut mir leid.«
Sein Ton wurde schärfer. »Jetzt hören Sie zu, Piet. Seien Sie doch ein wenig vernünftig. Sie haben eine schwierige Aufgabe gemeistert, Sie haben hervorragende Arbeit geleistet. Jetzt müssen wir die Sache nach allen Regeln der Kunst ausschlachten. Also, her mit der Story!«
»Die haben Sie schon. Ich hatte den Auftrag, die Frau zu finden und zu interviewen. Das habe ich getan.«
Eine Pause. Dann sagte er: »Hören Sie, Piet. Erstens waren Sie nicht befugt, die Abmachung zu treffen, ohne mich vorher zu fragen. Sie haben nicht gefragt. Zweitens haben Sie diese Story bekommen, weil man Sie auf eine verdammt gute Spur gesetzt hat. Wenn Sie glauben, daß der Chef die Sache herausbringt, ohne ganz genau darzulegen, wie wir sie Paris Match im eigenen Land weggeschnappt haben, dann sind Sie verrückt.«
Ich überlegte rasch. »Sie haben mir aufgetragen, den Kontakt mit ihr nicht zu verlieren«, erwiderte ich. »Wenn ich das Versprechen, das ich der Mittelsperson gegeben habe, breche, wird es keine Interviews mehr geben.«
Er lachte kurz auf. »Überlegen Sie doch, Söhnchen. Die
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