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Eine Art von Zorn

Eine Art von Zorn

Titel: Eine Art von Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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begrüßten viele der Besucher und Besucherinnen mit Namen, und ich schloß daraus, daß es sich um Angestellte von Anwaltskanzleien, Vermessungsbüros und Hypothekenbanken handelte. Fast alle kannten sich hier gut aus.
    Einem Mann jedoch mußte – wie mir in Montpellier – erklärt werden, wie das Registrierungssystem funktionierte. Er schien es nicht gleich zu kapieren, wohl weil er, mit einem schrecklichen ausländischen Akzent, sehr schlecht Französisch sprach. Da ich auf meine Nachforschungen konzentriert war, fiel er mir erst auf, als er sich mit dem archiviste unterhielt, und es dauerte eine geraume Weile, ehe ich mir über die Art des Mißverständnisses klar wurde.
    Die Aktenbände konnten nur einer nach dem andern herausgenommen werden, und jeder mußte zurückgegeben und als zurückgegeben verzeichnet werden, bevor er wieder ausgegeben werden durfte. Wahrscheinlich wurde das so gehandhabt, damit die Ausleihscheine von den Revisoren des départements leichter überprüft werden konnten.
    Der Mann hatte eine Liste der Bände gemacht, die er einsehen wollte, und er mußte viel zu lange darauf warten. Jedenfalls schien es ihm so. Die Erklärung des archiviste für die Verzögerung war nicht so deutlich, wie sie hätte sein können, weil er mittlerweile verärgert war. Das unzulängliche Französisch des Fremden war eine zusätzliche Komplikation. Aber als ich genauer hinhörte, begriff ich plötzlich, was geschehen war. Die Liste der Bände, die der andere Mann zusammengestellt hatte, glich meiner Liste aufs Haar. Die Verzögerung war dadurch verursacht worden, daß ich vor ihm begonnen hatte.
    Es hätte ein Zufall sein können, daß unsere Listen übereinstimmten, aber ich wußte, daß solche Zufälle nicht vorkommen. Ich beschloß daher, mir den Mann näher anzusehen, bevor er die Situation erfaßt hatte und sich für mich zu interessieren begann. Der Schalter des Grundbuchamts hatte die Form eines langen Lesepults, das schräg gestellt war, so daß man in den unhandlichen Bänden blättern konnte, ohne die Einbände zu beschädigen. Das Pult war mit Hilfe dünner Trennwände in Nischen eingeteilt, und man konnte also nicht von einem Ende des Schalters zum andern sehen. Am Eingang war ein Tisch, wo man die Gebühren entrichtete und die Bestellzettel erhielt.
    Als ich mit dem Band La Turbie fertig war (es war kein Grundstück auf Sangers Name darin), bestellte ich den Band Eze und ging zum Tisch und erstand noch ein paar Ausleihscheine. Von hier konnte ich in die Nische sehen, in der der Mann stand.
    Er stand mit dem Rücken zu mir. Ich konnte nichts weiter erkennen, als daß er groß und dünn war und einen schmalen Kopf hatte, dessen graues Kraushaar sorgfältig über eine kahle Stelle gekämmt war. Er trug eine Brille und einen dunkelgrauen Anzug. Der Anzug sah nicht französisch aus; er sah überhaupt nicht aus, als habe er eine bestimmte Nationalität.
    Ich ging zurück zu meiner Nische und wartete auf den Band Eze. Es war fast Mittag, und das Grundbuchamt würde von 12 bis 14 Uhr geschlossen sein. Am andern Ende des Pults war es dem archiviste endlich gelungen, sich verständlich zu machen. Im Raum war es jetzt ganz still. Ich überlegte, wer der Mann wohl sein mochte. Wäre er ein Einheimischer gewesen, so hätte ich angenommen, daß Sy ihn geschickt hatte. Aber so schien mir die plausibelste Erklärung, daß er ein ausländischer Journalist war, der dieselbe Spur verfolgte wie ich.
    Als der Beamte mit dem Band Eze kam und ihn vor mich hinlegte, blickte jemand neugierig über meine Schulter. Ich drehte mich um. Der Mann stand dicht hinter mir.
    Er lächelte, wobei er in einem faltigen, bleichen Gesicht eine Reihe langer, gelber Zähne entblößte. Die Augen hinter den Brillengläsern waren braun, darunter hingen dicke, schlaffe Tränensäcke. Das Lächeln, das sicher freundlich gemeint war, wurde durch die Zähne zu einem bedrohlichen Grinsen.
    In seinem komischen Französisch sagte er: »Entschuldigen Sie bitte, Monsieur. Mir wurde gesagt, daß sich unsere Nachforschungen in gleicher oder ähnlicher Richtung bewegen. Zweifelsohne haben wir andere Ziele, aber ich frage mich, ob es nicht – um Zeit zu sparen – nützlich und sinnvoll wäre, in unseren Bemühungen zusammenzuarbeiten?«
    Als er zu sprechen aufhörte, zeigte sich wieder sein gefährliches Grinsen, und er hob fragend die Augenbrauen.
    Es war ein Überraschungsangriff, und ich kam mir dumm vor. Es schien ratsam, ebenso dreinzuschauen,

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