Eine Art von Zorn
benommen.«
»Männer in einem gewissen Alter tun das oft«, bemerkte ich.
»Aha«, sagte er und grinste. Er war nicht aus der Fassung gebracht, aber er wußte, daß ich es war.
Ich wandte mich an seine Frau. »Sie sagen, sie habe sich gefürchtet, Madame. Würden Sie sie für eine Hysterikerin halten, die sich vielleicht bloß eingebildet hat, daß sie in Gefahr sei?«
»Nein. Ganz sicher nicht.«
»Könnte sie die Angst vorgetäuscht haben?«
»Warum sollte sie mich täuschen wollen?« Sie sah ihren Mann an. »Ich gehe nun packen.«
»Ja, mach das, Liebling.« Er streckte mir die Hand entgegen.
»Sehr unangenehm, Sie kennengelernt zu haben, Maas. Ich hoffe, wir werden Ihnen nie wieder begegnen. Das ist natürlich nicht persönlich gemeint. Sie verstehen schon.«
»Ich verstehe.«
Sein Händedruck war flüchtig und schlaff.
Als ich das Haus verließ, hörte ich noch, wie er seiner Frau ans Herz legte, genügend von seiner Unterwäsche einzupacken. Meine Rechnung lag im Hotel bereit. Bevor ich es verließ, reservierte ich die Zimmer für Sy und Bob Parsons. Dann kritzelte ich ein paar Zeilen auf einen Zettel.
Lieber Sy,
es tut mir leid, aber ich kann Ihnen die Story nicht geben. Ich habe ein Versprechen gegeben, um das Tonband zu erhalten, und ich gedenke dieses Versprechen zu halten. Natürlich weiß ich, daß ich Hochverrat begangen habe und für World Reporter erledigt bin. Sobald ich kann, werde ich den Mietwagen zurückgeben und Ihnen eine detaillierte Spesenaufstellung und die Hotelrechnungen schicken. Vielleicht kommt das Magazin dafür nicht mehr auf, aber das können wir später regeln, wenn die Geschichte nicht mehr aktuell ist. Wir treffen uns wieder in Paris. Unterdessen nehme ich den unbezahlten Urlaub, von dem Sie gesprochen haben.
N. B. Was soll ich machen, wenn ich im Urlaub auf neues Material stoße, das sich zur Veröffentlichung eignet? Hätten Sie es gern oder kann ich es wegwerfen? Ich weiß nicht mehr, was diesbezüglich im Vertrag steht. Ich werde eben improvisieren müssen.
Grüße P. M.
P. S.: Ich lege das Originaltonband des Interviews für Ihre Akte bei. Damit Sie nicht unnötigerweise Zeit verschwenden: Sangers Villa hier heißt La Sourisette. Jeder wird Ihnen den Weg dorthin sagen können. Im Augenblick ist er allerdings verreist. Ich habe keine Ahnung, wann er zurück sein wird.
Viertes Kapitel
I
Das Hotel, das ich in Nizza ausgewählt hatte, befand sich in der Nähe der Gare Centrale, und der Portier war daran gewöhnt, daß Reisende in den frühen Morgenstunden eintrafen. Ich schrieb mich als ›Pierre Mathis‹ ein und schlief dann, ohne Tabletten, vier Stunden.
Die Marseiller Autovermietung hatte eine Zweigstelle in Nizza, und gleich nach dem Frühstück gab ich den Simca zurück. Das Geld, das ich hatte deponieren müssen, reichte für die Extrakilometer. Dann ging ich zu dem Mann zurück, der mir das Tonbandgerät verkauft hatte, und verkaufte es ihm wieder mit Verlust. Ein nahe gelegenes Fotogeschäft machte mir einen anständigen Preis für die Rolleiflex. Nun konnte ich bei einem kleineren Unternehmen einen billigeren Wagen mieten. Ich fand eines, und man gab mir einen klapprigen Renault- quatre-cheveaux . Der Mann warf nur einen kurzen Blick auf meinen Führerschein. Als ich ihm meinen falschen Namen nannte, schrieb er ihn aufs Formular, ohne sich die Mühe zu machen, meinen Ausweis zu kontrollieren.
Dann fuhr ich zum Hôtel de Ville.
Die Vorziffer zu Lucias Telefonnummer wies auf ein Gebiet westlich von Nizza, so daß ich annehmen durfte, daß sich das Haus, in dem sie jetzt wohnte, wahrscheinlich in oder um Cagnes-sur-Mer befand. Da Adèle Sanger aber gesagt hatte, daß Lucia von einem Umzug gesprochen habe, mußte ich auf diese Möglichkeit vorbereitet sein. Der Agent in Sète hatte nur Cagnes, Mougins und Roquebrune erwähnt; das Haus aber, in dem ich sie interviewt hatte, stand in der Nähe von Beaulieu. Ich mußte annehmen, daß die Sangers auch in anderen Orten entlang der Küste Grundstücke besaßen.
Aufgrund meiner Erfahrung in Montpellier war ich vertraut mit dem Karteikartensystem des Grundbuchamtes des départements und konnte direkt nach den Aktenbänden fragen, die ich benötigte, und die geforderte Nachschlagsgebühr bezahlen.
Ich war nicht allein. Wenn es auf dem Grundbuchamt auch nicht zuging wie in einem Bienenstock, so herrschte doch während der Morgenstunden ein reges Kommen und Gehen. Der Vorsteher und seine Mitarbeiter
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