Eine Art von Zorn
nicht aufgeben. Er hat nichts reservieren lassen, er ist einfach angekommen.«
»Ja, aber ich kann mich auch geirrt haben. Wahrscheinlich überlegt er anders. Ich will nochmals nachdenken.«
Ich sagte ihr nicht, daß ich über etwas anderes nachgedacht hatte. Sie war so sicher gewesen, daß Farisi auf die Veröffentlichung des Interviews reagieren würde, wie sie es vorhergesagt hatte, daß ich gar nicht auf die Idee gekommen war, daran zu zweifeln. Nun tat ich es. Gewiß, Skurleti schien auch erwartet zu haben, daß Farisi in Nizza eintreffen würde. Aber angenommen, sie hatten sich beide geirrt; angenommen, die irakische Regierung hatte beschlossen, das Problem anders zu erledigen, zum Beispiel auf einer höheren Ebene, etwa durch diplomatische Verhandlungen mit der französischen Regierung oder indem sie Kairo veranlaßte, mit den Russen zu reden. Ich telefonierte weiter, war aber vom Erfolg immer weniger überzeugt. Ich fragte mich, wann ich Lucia meine Zweifel mitteilen sollte; vielleicht morgen, wenn sie Skurletis Geld in Händen hatte und es sich leisten konnte, einsichtiger zu sein. Vierzig Minuten später rief sie mich wieder an.
»Er ist hier«, sagte sie. Sie war außer Atem vor Aufregung.
Ich hatte genug Geistesgegenwart, um nicht zu fragen, wen sie meinte; statt dessen fragte ich: »Wo?«
»Ich muß es dir erzählen. Ich habe also nachgedacht. Schweizerhof, das bedeutet in der Schweiz ein großes Haus, oder Fürstenhaus. Ich habe also nach einem Hotelnamen gesucht, der dieselbe Assoziation hervorruft. In England gibt’s doch ein Schloß Windsor, nicht? In Nizza gibt’s ein Hotel Windsor. Also habe ich dort angerufen.«
»Und? Ist er dort?«
»Nein. Ich war sehr enttäuscht und begann wieder nachzudenken.«
»Und? Ich sterbe vor Spannung.«
Sie lachte. »Ich dachte, daß ihm vielleicht bestimmte Wörter imponieren. Der Name des Zürcher Hotels ist ›Grand Hotel Schweizerhof‹. Was für Grand Hotels haben wir hier?«
»Das Ruhl? Das Negresco?«
»Nein. Man sagt das Hotel Ruhl, das Hotel Negresco. Es gibt nur ein einziges Grand Hotel in Nizza, das Grand Hotel de la Paix. Auf das Wort ›Grand‹ ist es ihm bezeichnenderweise angekommen. Dort ist er.«
»Hast du mit ihm gesprochen?«
»Natürlich nicht. Ich habe gleich aufgelegt, als sie mich verbinden wollten. Wirst du mich wissen lassen, was er sagt?«
»Sofort. Du bist eine bemerkenswerte Frau.«
»Der Meinung bin ich auch.«
Der Mann, der sich meldete, als ich Farisi anrief, schien sowohl verärgert als auch mißtrauisch zu sein. Er sprach Französisch, fehlerfrei, aber mit starkem Akzent und hoher, eintöniger Stimme.
»Monsieur Farisi ist im Augenblick nicht zu sprechen. Wer ist am Apparat?«
»Es wäre nicht ratsam, am Telefon Namen zu nennen. Ich glaube, Monsieur Farisi ist in Nizza, um mit der Freundin eines ehemaligen Waffenkameraden ein Geschäft zu tätigen. Ich spreche in ihrem Auftrag.«
»Kann ich Monsieur Farisi etwas ausrichten?«
»Ich würde lieber mit ihm selbst sprechen.«
»Das ist nicht möglich.«
»Wann wird es möglich sein? Ich werde nochmals anrufen.«
»Monsieur Farisi spricht nicht Französisch.«
»Ich spreche Englisch so gut wie er.«
»Einen Augenblick.« Es war totenstill; er hatte den Telefonhörer mit der Hand bedeckt. Dann sprach die Stimme weiter: »Wollen Sie für Monsieur Farisi eine Verabredung mit der Dame arrangieren?«
»Nein, das will ich nicht. Ich vertrete die Dame.«
»Einen Augenblick.« Es fand wieder eine unhörbare Beratung statt, bevor er weitersprach. »Können Sie heute abend ins Hotel kommen?«
Ich wurde ungeduldig. »Nein, das kann ich nicht.«
»Warum nicht? Wenn Sie, wie Sie sagen, die betreffende Person vertreten …«
Ich wartete nicht, bis er fertiggesprochen hatte. »Wann sind Sie heute in Nizza angekommen?« fragte ich.
»Warum wollen Sie das wissen?«
»Besorgen Sie sich von irgendeiner hiesigen Zeitung die heutige Ausgabe. Lesen Sie sorgfältig, und Sie werden verstehen. Ich werde Brigadier Farisi in einer halben Stunde noch einmal anrufen.«
»Mit wem habe ich gesprochen?«
Ich gab keine Antwort. Ich rief Lucia an. Mein Bericht schien sie nicht zu überraschen. »Wenn sie schon einen Dolmetscher mitschicken mußten, dann hätten sie einen mit ein wenig Grips auslesen können«, beschwerte ich mich.
»Es handelt sich um Militärs«, sagte sie resigniert. »Die müssen schreien und mit den Füßen stampfen.«
Als ich wieder anrief, war von Schreien und
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