Eine Art von Zorn
Ambulatorium einzuhalten. Dann – falls wir noch am Leben sind – müssen wir mindestens so lange am Leben bleiben, bis wir das Geld in Händen haben. Was hältst du davon?«
Ihre Fäuste öffneten sich ein wenig, aber sie war sich meiner noch immer nicht sicher.
»Ich wüßte gern, was du davon hältst.«
»Wenn du meinst ›Hast du Angst?‹, dann heißt die Antwort ›ja‹. Wenn du mich fragst, was wir meiner Meinung nach tun sollten, dann habe ich es dir bereits gesagt.«
Sie blickte finster drein. »Ich verstehe dich nicht.«
»Ich habe den Wagen auf der Straße unten am Hügel stehengelassen. Ich bin praktisch auf allen vieren hier heraufgekrochen, nicht aus Freude am Klettern, sondern damit der Mann, der das Haus beobachtet, nicht weiß, daß ich zurückgekehrt bin, und damit er auch nicht merkt, wenn wir weggehen.«
»Ach so.« Sie kam zu mir herüber und setzte sich wieder neben mich. »Das kommt daher, daß du so makabre Witze gemacht hast.«
»Ich mache keine Witze. Wenn wir klug wären, würden wir Farisi vergessen und mit dem zufrieden sein, was wir haben. Aber es scheint, als seien wir beide habgierige Narren.«
Sie lächelte und streichelte mein Knie. »Habgierige Narren vielleicht, chéri , aber auch intelligent und charmant.«
»Mit Charme kommen wir momentan nirgendshin. Wir müssen für mindestens 24 Stunden verschwinden.«
»Nun, dann wird uns die Intelligenz helfen.«
»Hoffen wir es. Das Haus in Cagnes wird sicher auch beobachtet. Wir müssen aber dorthin zurück und zwar noch heute nacht.«
»Aber warum? Ich könnte hierbleiben. Übermorgen wird die Aufräumefrau …«
»Du vergißt eins. Wenn sie erst einmal gemerkt haben, daß wir ihnen entwischt sind und morgen nicht zur Polizei gehen, werden sie uns überall suchen. Finden sie uns, dann werden sie uns umbringen. Wir müssen fliehen. Wo sind eigentlich die Dokumente, die wir der Polizei übergeben müssen?«
Sie schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. »Gott, bin ich blöd.«
»Sie sind in jenem Haus, nicht wahr?«
Sie nickte. »Unter der Terrasse befindet sich ein Abstellraum. Dort ist der Koffer.«
»Wir müssen ihn heute nacht holen, sonst bekommen wir ihn vielleicht nie wieder. Kann man ins Haus, ohne von der Straße gesehen zu werden?«
Sie dachte einen Augenblick nach. »Ja. Es führt ein Weg an einer alten Zisterne vorbei in einen Olivenhain. Adèle hat gesagt, daß die Zisterne noch aus der Römerzeit stamme. Dort ist eine Quelle. Der Gärtner, dem die Olivenbäume gehören, hält einige Ziegen. Das Wasser der Quelle ist jetzt salzig, aber es fließt in die Zisterne, und die Ziegen trinken es.«
»Wenn es uns gelingt, in den Olivenhain zu kommen, könnten wir dann auch ins Haus?«
»Es hat einen Zaun dort, wegen der Ziegen, aber der hat ein Türchen. Adèle bezahlt den Mann, der die Ziegen versorgt, dafür, daß er die Pflanzen gießt.«
»Weißt du, wie man in den Olivenhain gelangt?«
»Nein, aber es muß möglich sein. Wir werden es schon schaffen.«
»Zuerst müssen wir überlegen, wohin wir anschließend fahren.«
»Da wäre die Wohnung in Roquebrune.«
»Was für eine Wohnung ist das?«
»Adèle hat mir die Schlüssel für drei Wohnungen gegeben«, erklärte sie. »Für das Haus in Cagnes, für dieses hier und für eine Wohnung in Roquebrune. Sie sind alle für den Sommer vermietet, aber bis zum Mai sind sie unbewohnt. Dieses Haus und die Wohnung in Roquebrune hat sie mir überlassen für den Fall, daß ich schnell umziehen muß, und weil sich im Augenblick keine Putzfrau drum kümmert.«
»Wieviel Häuser haben die Sangers eigentlich?«
»Ungefähr zwanzig, glaube ich.«
»Wie viele sind in dieser Jahreszeit bewohnt?«
»Drei oder vier.«
»Nun, du kannst dich darauf verlassen, daß Skurleti von der Wohnung in Roquebrune weiß. Er würde nicht sehr lange brauchen, um uns dort zu finden.«
»Schließlich hat er zwei Tage gebraucht, um die Liste, die du ihm verkauft hast, durchzugehen.«
»Er hat jetzt Unterstützung«, sagte ich.
Eine Weile saßen wir in verdrossenem Schweigen da. Plötzlich richtete sie sich auf. »Es gibt einen Ort, wo sie uns nicht suchen werden. Patricks Haus in Mougins.«
»Aber dort wohnt doch ein Dienstmädchen.«
»Sie kann ein paar Tage bei ihrer Schwester in Cannes bleiben. Adèle könnte sie auf Urlaub schicken.«
»Weißt du, wo die Sangers sind?«
»Ja. Sie sind auch hier an der Küste. Ganz in der Nähe. In Italien, bei San Remo. Ich kann sie
Weitere Kostenlose Bücher