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Eine Art von Zorn

Eine Art von Zorn

Titel: Eine Art von Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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legten Skurletis Geld und das andere Exemplar der Aufzeichnungen zu den wenigen Sachen in meinen Koffer. Dann machten wir das Bett und räumten die Zimmer auf, um die auffälligsten Spuren meiner Anwesenheit zu beseitigen. Obgleich Lucia über Sangers ›Erpressung‹ sehr erbittert war, wollte sie doch das Versprechen, das sie seiner Frau gegeben hatte, halten. Wenn wir Adèle nicht bloßstellen wollten, mußten wir ins Lügengarn, das wir der Polizei erzählen wollten, die Geschichte hineinverweben, die Adèle und Lucia sich ausgedacht hatten. Während wir aufräumten, gab mir Lucia eine Zusammenfassung.
    Sie würde aussagen, daß sie Adèle nie gesehen hätte, und daß sie das Haus in Cagnes unter dem Namen Berg schriftlich von der Schweiz aus gemietet hätte. Sie würde aussagen, daß sie und Arbil die Absicht gehabt hätten, dort den Frühling zu verbringen. Die Miete habe sie im voraus bar bezahlt.
    Adèle Sanger ihrerseits würde auf Befragung aussagen, daß Madame Berg zehn Tage früher als erwartet eingetroffen sei, ihr am Telefon eine traurige Geschichte von einer Gesichtsoperation erzählt hätte und sie gefragt habe, ob sie sofort einziehen könne. Madame Sanger habe keinen Grund gesehen, diese Bitte abzuschlagen. Das Haus habe zu dieser Zeit sowieso leer gestanden, und die Miete sei schon im voraus bezahlt worden. Die Haushälterin sei angewiesen worden, die bemitleidenswerte Madame Berg sofort einziehen zu lassen. Madame Sanger hätte Madame Berg nie gesehen.
    »Das ist ja alles schön und gut«, wandte ich ein, »aber wie erklären wir, warum die Haushälterin mich nicht gesehen hat, wenn ich angeblich zu dir gezogen bin? Ich weiß, sie hat schlechte Augen, aber selbst dann …«
    »Sie ist nur an den Vormittagen dort. Während dieser Zeit hast du dich im Abstellraum eingesperrt.«
    »Das wird die Polizei nicht glauben.«
    »Sie wird es glauben müssen. Sie kann das Gegenteil nicht beweisen. Gehen wir?«
    Es war schon nach Mitternacht.
    Wir schalteten alle Lichter aus und verließen leise das Haus. Lucia trug lange Hosen und kam mühelos über die Mauer. Ich stellte die Topfpflanzen wieder an ihren Platz, und wir begannen mit dem Abstieg.
    Ich ging voran, aber da ich durch den Koffer behindert war, konnte ich Lucia nicht helfen. Auf halbem Weg fiel sie in eine Rinne und verlor die Perücke. Als wir sie suchten, verstauchte ich mir den Knöchel, was den Abstieg nicht leichter machte. Unten bei der Stützmauer mußten wir ausruhen, bevor wir auf die Straße hinabkletterten. Die Dränagelöcher, die mir das Überklettern der Mauer erleichtert hatten, waren von oben nicht zu sehen. Wir mußten also die Taschenlampen benutzen, um uns hinunterzulassen, und verbrachten nervenaufreibende Sekunden. Zum Glück kamen keine Autos vorbei. Nachdem ich den Koffer im Gepäckraum des Wagens verstaut hatte, setzte ich mich ans Steuer und schaltete die Scheinwerfer ein. Als ich nicht losfuhr, fragte Lucia: »Was gibt’s?«
    »Ich überlege, welchen Weg wir nehmen sollen.«
    Ich hatte mir aber etwas ganz anderes überlegt, nämlich, ob ich durch das Treffen mit Skurleti, das mich mitgenommen hatte, so durcheinandergeraten war, daß ich Halluzinationen hatte und überall Männer vom Komitee sah. Die körperliche Anstrengung des Rauf- und Runterkletterns und der ganz reale Schmerz in meinem Knöchel taten ihre Wirkung, und ich konnte dem Zwang nicht widerstehen, nachzusehen, ob der Mann im Auto oben auf dem Hügel noch immer dort war. Wenn nicht, dann hatte ich mich wie ein Narr benommen.
    »Durch Beaulieu«, sagte sie. »Am Pont St. Jean vorbei.«
    »Wenn wir wieder die Corniche hinauffahren, geht’s schneller.«
    »Was ist mit dem Mann, der das Haus beobachtet?«
    »Wenn wir einfach vorbeifahren, wird er uns nicht beachten. Außerdem wäre es vielleicht gar nicht schlecht, ihn näher anzusehen.«
    Sie schnitt eine Grimasse. »Du willst nur sehen, ob du dich hast ins Bockshorn jagen lassen.«
    Es hatte keinen Sinn, dagegen zu protestieren. »Ja, das will ich.«
    »Na schön.«
    Ich startete, wendete und fuhr so schnell ich konnte um die Kurve und den Hügel hinan.
    Als wir etwa 50 Meter vom Weg zum Haus hinunter entfernt waren und ich schon die zerfallene Steinmauer ausmachen konnte, leuchteten plötzlich die Scheinwerfer des geparkten Wagens auf. Einen Augenblick lang war ich geblendet. Ich bemerkte, daß Lucia die Hände vors Gesicht hielt, um es zu verbergen. Dann waren wir an den Lichtern vorbei und kamen zur

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