Eine Art von Zorn
Männer von der Straße aus das Haus beobachteten. Aber die Straße war weit entfernt. Es war die Dunkelheit, die uns flüstern ließ.
Erst nachdem wir die Tür geöffnet hatten, schaltete ich die Taschenlampe ein. Dann richtete ich den Strahl ins Innere des Raumes. Wir traten ein.
Er war zum größten Teil mit Gartenmöbeln und Werkzeugen angefüllt. An der Wand hing ein breites Regal, an dem die Kissen für die Gartenstühle aufgestapelt waren. Einen Koffer konnte ich nicht sehen.
»Hinter den Kissen«, sagte Lucia.
Sie nahm die Taschenlampe und richtete den Strahl auf eine Seite des Regals. Als ich die Kissen wegschob, sah ich den Koffer. Er stammte noch aus den Tagen, wo man nicht per Flugzeug reiste, war aus Metall, mit Nieten beschlagen, und an den Ecken mit dicken Lederkappen versehen. Er stand hinten an der Wand, unter den Sparren. Ich stieg auf einen Stuhl, um ihn herunterzuholen.
In diesem Moment knarrte die Decke.
Ich spürte, wie Lucia den Atem anhielt. Sie schaltete die Taschenlampe aus. Wir rührten uns nicht. Wieder knarrte die Decke. Über uns ging jemand langsam hin und her. Dann hörten wir Stimmengemurmel. Es waren Männerstimmen, aber wir verstanden kein Wort.
Lucia schaltete die Taschenlampe wieder ein und richtete sie auf das Regal.
Ich starrte sie an. Ihre Lippen formten das Wort »schnell«.
Ich nahm den Koffer vom Regal und stieg vom Stuhl. Als wir die Türe erreicht hatten, löschte Lucia das Licht. Kaum hatte sie die Türe verschlossen, da hörten wir die Stimmen vom Haus her. Wir standen nun auf dem Gartenweg. Ich zerrte Lucia am Arm die Treppen hinunter, die zur gepflasterten Terrasse führten. Ein Lichtstrahl zuckte plötzlich auf dem Weg vor uns auf, und wir verschwanden rasch im Schatten der Sträucher.
Wieder der Lichtstrahl. Als der Mann, der die Lampe trug, den Gartenweg erreicht hatte, verstärkte sich ihr Schein. Er sagte etwas zu seinem Begleiter und ging weiter. Als der Lichtschein auf die offene Tür zum Abstellraum fiel, stieß er einen Schrei aus und lief weiter.
Jetzt konnten wir die beiden sehen. Der Mann mit der Lampe trug einen Sturzhelm; der andere trug einen Hut, der dem meinen ähnlich war, und hielt einen Revolver in der Hand. Der Mann mit dem Helm bückte sich und sprang dann in den Abstellraum. Wir warteten nicht, was der andere tun würde. Ich nahm Lucia bei der Hand, und wir liefen von der Terrasse den Weg hinunter und versteckten uns in einem dichten Gebüsch. Jetzt konnten wir den Gartenweg nicht mehr sehen, aber wir konnten die beiden Männer sprechen hören. Ich verstand nicht, was sie sagten, aber es hörte sich an, als versuchten sie, sich über die Lage klarzuwerden. Dann wurden ihre Stimmen leiser.
Ich hielt immer noch Lucias Hand, die zitterte. Dann packte ich den Koffer, und wir gingen zur Gartentür, die wir diesmal sachte auf- und zumachten, so daß sie kein Geräusch von sich gab.
Wir sprachen kein Wort, bis wir wieder beim Wagen waren.
»Das waren die Männer«, sagte sie, als ich den Koffer in den Gepäckraum legte, »die Ahmed ermordet haben.«
»Bist du sicher?«
»Ja. Ganz sicher. Hast du verstanden, was sie sagten?«
»Nein. Aber ich habe die Sprache erkannt. Es war Tschechisch.«
Eine halbe Stunde später lenkte ich den Wagen in die Garage von Sangers Haus in Mougins. Nur die Lampen vor der Haustür brannten. Das Haus lag im Dunkeln. Es war jetzt ein Viertel vor drei. Wir mußten mehr als fünf Stunden warten, bis Marie weggehen würde, um ihre Schwester in Cannes zu besuchen.
Die Garage war Teil einer ehemaligen Steinscheune. Aus dem andern Teil war ein Weinkeller gemacht worden. Ich fand keinen Korkenzieher, aber ich entdeckte eine Flasche Whisky mit Schraubverschluß, den ich mit der Hand öffnen konnte.
Wir setzten uns in den Wagen und tranken Whisky. Dann legte Lucia den Kopf an meine Schulter und schlief ein.
III
Wir schliefen den ganzen Tag im Gästezimmer der Sangers. Marie hatte einen Zettel hinterlassen, auf dem stand, welches Zimmer wir benutzen könnten, und daß im Kühlschrank etwas zu essen sei.
Am späten Nachmittag aßen wir etwas. Nachdem Lucia abgeräumt hatte, sah sie plötzlich auf die Uhr. Sie begann sich Sorgen zu machen. Hatte Farisi auch wirklich verstanden, was er tun mußte? Es war jetzt fünf Uhr. Hatte er schon einen Arzt aufgesucht, um sich die Schlaftabletten verschreiben zu lassen? Bald mußte er sich auf den Weg zum Kino machen. Wußte er, was er im Ambulatorium sagen mußte?
Natürlich
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