Eine begehrenswerte Lady
den Tatsachen basierend, die uns vorliegen, ist es unwahrscheinlich, dass wir heute Nacht zu einem Schluss kommen …« Er blickte zu der Uhr auf dem Kaminsims, sah die Uhrzeit und verbesserte sich: »Oder eher heute Morgen.« Er unterdrückte ein Gähnen. »Meine Herren, es ist schon spät, und ich habe ein paar ereignisreiche Tage hinter mir. Ich fürchte, ich muss mein Bett aufsuchen.« Er blickte schläfrig in die Runde. »Wie allgemein bekannt ist, werde ich sehr bald heiraten und muss mich noch um einiges kümmern, damit alles für meine Braut bereit ist.«
Barnaby brachte ihn zur Tür, wo Lucs Pferd schon wartete. Er blieb stehen und schaute zu, wie sein Bruder sich in den Sattel schwang und sagte:
»Du kannst auch die Nacht über hierbleiben.«
Luc grinste.
»Angst, mich allein nach Hause reiten zu lassen?«
Barnaby seufzte.
»Vielleicht ein bisschen. Aber angesichts von Canfields Tod denke ich, Nolles ist momentan mit anderem beschäftigt, als sich an uns zu rächen, allerdings …«
Lucs Grinsen verblasste, und er sagte leise:
»Nolles wird früher oder später sterben müssen, oder?«
Barnaby nickte und schaute seinem Bruder hinterher, während der in die Nacht ritt.
In Lucs Abwesenheit waren die Damen auf Windmere und Gillians Familie fleißig gewesen und hatten die Hochzeit weiter vorbereitet. Gillian, die sich mehr wie eine Zuschauerin fühlte, war zwar bei der Planung dabei, aber ihr kam alles doch mehr wie ein Traum vor. Sie würde heiraten … Luc Joslyn. Wie konnte das sein? Sie kannte den Mann ja kaum. Leichte Röte stieg ihr in die Wangen, als ihr Erinnerungen an die Nacht, die sie zusammen verbracht hatten, durch den Sinn gingen. Oh doch, sie kannte ihn schon, aber sie wusste nichts über seine Persönlichkeit, über sein Wesen.
Sie hörte nur mit halbem Ohr zu, wenn Pläne für ihre Hochzeit gemacht wurden, ihre Gedanken schweiften ab. Sie hatte Charles gewissermaßen in einem Freudentaumel geehelicht, verliebt in die Liebe, während bei Luc … Ihr Herz verkrampfte sich in ihrer Brust. Jetzt war sie älter und weiser als mit achtzehn, als sie Charles geheiratet hatte, und sie war sich bewusst, dass die Gefühle, die Luc in ihr weckte, tiefer gingen, stärker und mächtiger waren als alles, was sie für Charles empfunden hatte. Sie war überzeugt gewesen, als sie ihn heiratete, dass Charles die Liebe ihres Lebens sei, aber jetzt wusste sie es besser. Luc rührte sie auf eine Weise an, wie Charles es nie getan hatte, und dieses Wissen machte ihr Angst. Sie sollte darauf achten, worüber die anderen diskutierten, aber sie konnte nur an Luc denken und an ihre gemeinsame Zukunft.
Am Nachmittag fuhren sie, Silas und Sophia zum Pfarrhaus ins Dorf, um den Pfarrer und seine Gattin zu besuchen, und Gillian war immer noch in Gedanken versunken und starrte auf ihre im Schoß gefalteten Hände, während Fetzen der Unterhaltung um sie herumschwirrten. Sie liebte Luc; das ließ sich nicht leugnen. Und weil sie ihn liebte, hatte sie der Ehe zugestimmt. Luc begehrte sie, und sie wusste, dass ihr Körper ihm Lust bereitete, aber wenn die Leidenschaft erst einmal gestillt war, würde er sie da ablehnen wegen der Art und Weise, wie ihre Ehe zustande gekommen war? Ihre Zukunft lag in seinen Händen … würde er sie über die Jahre gut behandeln oder würde sie sich mit einem weiteren Mann wie Charles verheiratet wiederfinden? Sie fragte sich, ob Charles sie eigentlich jemals geliebt hatte, oder ob ihm von Anfang an nur an ihrer Mitgift gelegen hatte. Sie erschauerte, weil sie wieder an den Widerwillen und das Entsetzen denken musste, das sie empfunden hatte, als Winthrop ihr enthüllt hatte, wie wenig Charles sie und ihre Ehe geschätzt hatte.
»Ist Ihnen kalt?«, erkundigte Penelope sich freundlich, der Gillians Erschauern nicht entgangen war. »Soll ich einen Diener schicken, dass er Ihnen einen Umhang holt?«
Gillian zwang sich zu einem Lächeln und schüttelte den Kopf.
»Danke, aber das wird nicht nötig sein. Es geht mir gut.«
Sie saßen in einem reizenden, gemütlichen Zimmer auf der Vorderseite des Pfarrhauses. Die Stühle und Sofas waren mit weichem gelbem Chintz bezogen. Die früher einmal leuchtenden Farben des Teppichs auf dem Boden waren zu hellem Altrosa und bleichem Grün verblasst. Kleine Eichentischchen standen hier und dort, ein Korb randvoll mit Strickzeug stand neben einem der Stühle, und eine Stoffpuppe lag in der Sofaecke. Ein zierlicher Schreibtisch voller Papiere befand
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