Eine begehrenswerte Lady
meiste Zeit, die ich dort war, ziemlich betrunken und habe nur ein paar Zimmer gesehen.« Er zog die Brauen zusammen. »Stanton benutzt das Haus wie eine Art vorübergehendes Feldlager. Ich glaube nicht, dass er dort viel Zeit verbringen wird.«
»Stanton ist nicht unbedingt für seine Vorliebe fürs Landleben bekannt«, bemerkte Mathew. »Sein bevorzugtes Milieu ist London und die Spielhöllen und Bordelle, die es dort zuhauf gibt.«
Lamb richtete sich zu seiner beeindruckenden Größe auf und sagte:
»Da uns keine andere Alternative einfällt, denke ich, ich reite mal heute Nachmittag nach Woodhurst und sehe, was ich herausfinden kann.«
»Ich komme mit«, erklärte Mathew.
Alle schauten ihn überrascht an. Mathew runzelte die Stirn und stellte finster fest:
»Ich bin jetzt seit fast vierzehn Tagen auf Windmere und habe nichts weiter getan, als Barnabys Gastfreundschaft zu genießen – was nicht der Grund war, weshalb ich eigentlich hergekommen bin.« Er sah Simon an. »Ich weiß, dass du hinter der Einladung steckst, aufgrund derer ich hergekommen bin, und dass Barnaby den Köder geliefert hat – die Chance, Nolles zu erwischen.« Sein Mund wurde schmal. »Wie gesagt, in den vergangenen beiden Wochen habe ich nichts getan. Lamb zu begleiten wird mir wenigstens das Gefühl vermitteln, dass ich irgendetwas dazu beitrage, Nolles zu Fall zu bringen.«
Lamb war zwar nicht glücklich darüber, dass ihm Mathew wie ein Hundejunges auf Schritt und Tritt folgte, aber ein Blick von Barnaby erstickte alle Einwände, die ihm auf der Zunge lagen. Mit gebremster Begeisterung verkündete Lamb:
»Es ist nicht notwendig, dass wir uns beeilen. Zu dieser Stunde sind Stanton und Padgett vermutlich noch im Bett und schlafen ihren Rausch von den Ausschweifungen letzte Nacht aus.« Er blickte zu Simon.
Der runzelte die Stirn.
»Vielleicht nicht.« Er sah zur Uhr auf dem Kaminsims. »Es ist fast Mittag, und sie hatten zwar keine feste Routine, solange ich dort war, aber sie waren meistens um diese Tageszeit bereits aufgestanden und auf dem Weg, ins Ram’s Head zu reiten, um ein spätes Frühstück zu sich zu nehmen. Die Annehmlichkeiten von Woodhurst und die Dienstbeflissenheit der Archers laden nicht unbedingt ein, dort zu verweilen.«
»Nun gut«, sagte Lamb. Er schlug sich auf die Knie und stand auf. Den Blick auf Mathew gerichtet, fragte er:
»Soll ich uns Pferde satteln lassen?«
Mit einem Funkeln im Blick, das eine lange Zeit nicht mehr dort zu sehen gewesen war, nickte Mathew.
Gillian hatte keine Sekunde in Erwägung gezogen, dass eine Frau ihr die Nachricht geschickt hatte, denn eine Sache lag klar auf der Hand: Eine Frau hätte gewusst, wie schwer es für eine respektable Frau aus den höheren Kreisen war, ohne Begleitung irgendwohin zu gehen … und ohne jemandem zu verraten, wohin sie wollte. Ihre Bemerkung zu Luc, dass sie das Kurzwarengeschäft im Dorf besuchen wollte, war ein genialer Einfall gewesen. Seit sie an diesem Morgen aufgewacht war, hatte sie sich den Kopf zerbrochen, warum sie dringend ins Dorf musste, denn es musste sich um etwas handeln, was sie selbst tun musste, was sie keinem Diener übertragen konnte. Ein Besuch im Dorf, um Stoffe für das Haus auszusuchen, war die perfekte Lösung für dieses Problem.
Natürlich war es unvorstellbar, dass sie sich ein Pferd satteln ließ und allein ins Dorf ritt. Der stetig fallende Regen machte Reiten ohnehin unmöglich, was hieß, dass sie ein Gefährt benutzen musste. Eines, das sie allein lenken konnte, und der Regen verhinderte, dass es eine offene Kutsche war. Obwohl es nicht unbedingt ideal war, genügte das Gig mit Verdeck ihren Anforderungen. Sie musste allerdings noch das Problem mit der Begleitung lösen, und ihre Wahl fiel auf Mrs. Marsh oder Nan. Die Entscheidung war leicht zu treffen: Mrs. Marsh.
Gillian verzog das Gesicht. Nan kannte sie einfach zu gut, und angesichts der Vertrautheit der langjährigen Dienerin mit ihrer Herrin würde Nan nicht lange zögern zu fragen, was ihre Herrin vorhatte. Bei Mrs. Marsh stand das nicht zu befürchten. In der kurzen Zeit ihrer Ehe mit Luc hatten sie und die Haushälterin ein herzliches Verhältnis aufgebaut, aber Mrs. Marsh kannte sie nicht. Und sie brachte ihrer neuen Herrin auch eine gewisse Ehrfurcht entgegen, sodass sie einfach die Anweisungen befolgen würde, die ihr gegeben wurden, und keine Einwände erheben oder ihr widersprechen würde, wenn sie sie im Laden allein ließ – wie Nan das
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