Eine begehrenswerte Lady
ein Körnchen Wahrheit enthalten. Was, wenn sie unschuldig ist? Wollen wir sie aufgrund von bloßem Klatsch verurteilen?«
Jetzt war Emily an der Reihe, nachdenklich auszusehen. Sie nahm ihre Tasse und trank einen Schluck Kaffee. Über den Tassenrand hinweg betrachtete sie Cornelia und fragte:
»Glaubst du denn, dass sie unschuldig ist?«
»Das weiß ich nicht«, räumte Cornelia ein. »Ich kenne sie ja nicht. Penny Smythe hat sie jedoch kennengelernt und mag sie. Sie hat bei ihrem Besuch letzte Woche erwähnt, dass sie Mrs. Dashwood und ihre Cousine Mrs. Easley zu mehreren Komitees eingeladen hat. Penny scheint beide Damen ganz reizend zu finden. Daraus schließe ich, dass Mrs. Dashwood über großen Charme verfügt.«
Emily dachte ein paar Minuten lang darüber nach. Penelope Smythe verfügte über eine gute Menschenkenntnis, und wenn die Gattin des Vikars Gillian Dashwood gut leiden konnte …
»Weiß Mrs. Smythe von dem Mord?«, wollte Emily wissen.
»Das weiß ich nicht … und ich habe es auch nicht angesprochen.«
»Warum nicht? Mrs. Smythe liebt doch Klatsch.«
»Ich bin mir nicht sicher, und gewöhnlich hätte ich es Penny auch erzählt, ohne weiter darüber nachzudenken, aber …« Sie runzelte die Stirn. »Ich glaube, die Tatsache, dass Luc Silas Ordway so mag, und dass Penny nur Gutes über Mrs. Dashwood zu berichten hatte, hat mich dazu veranlasst, Stillschweigen darüber zu bewahren.« Cornelia spielte mit ihrem Löffel. Unglücklich fügte sie hinzu: »Vergiss nicht, wir wissen nicht, was wirklich geschehen ist in der Nacht, als ihr Mann getötet wurde … vielleicht haben die Gerüchte nicht recht. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine vollkommen Unschuldige das Opfer übler Nachrede, Halbwahrheiten und sogar bösartiger Lügen wird.«
Emily nickte langsam.
»Und wir wissen nicht, ob Luc überhaupt mehr als ein flüchtiges Interesse an ihr hat – am Ende sorgen wir uns ganz überflüssigerweise.«
»Vielleicht. Aber ich glaube, es wäre klug, wenn wir uns die Dame einmal selbst ansehen.«
Emily war sofort interessiert und fragte:
»Soll ich Mrs. Spalding bitten, einen Korb mit ihren eingemachten Erdbeeren und ein paar Gläsern mit Honig aus unserer Imkerei zusammenzustellen?«
Cornelias haselnussbraune Augen funkelten belustigt.
»Ja, ich denke, es ist nur passend, dass wir den Neuankömmlingen in der Gegend unsere Aufwartung machen und sie bei uns hier willkommen heißen, oder?« Sie hob einen Finger. »Aber nicht zu bald. Luc ist kein Narr. Er würde sofort wissen, was wir bezwecken. Nächste Woche ist früh genug.«
Walker klopfte an die Tür und schaute herein.
»Mr. Simon Joslyn ist hier. Soll ich ihn vorlassen?«
»Aber gewiss doch«, erwiderte Emily lächelnd. Simon Joslyn kannte sie seit ihrer Kindheit, und sie hatte Barnabys jüngsten Cousin immer besonders gerne gehabt.
Simon schlenderte einen Moment später in den Raum und sah gut genug aus, um das Herz der Hälfte der weiblichen Bevölkerung der britischen Inseln im Sturm zu erobern. Er besaß die typischen Joslyn-Züge, von den strahlend blauen Augen und den schwarzen Haaren bis zu der hochgewachsenen athletischen Figur. Es gab Leute, die seinen älteren Bruder Mathew für denjenigen von beiden hielten, der besser aussah, aber gemeinhin war es Simon, der als der bestaussehende Mann Englands galt.
Sein dunkelblauer Rock umschloss bewundernswert glatt seine breiten Schultern, und seine hellbraune Hose betonte perfekt proportionierte Männerbeine. Mit einem Lächeln, das selbst das abgehärtetste Frauenherz schneller schlagen ließe, hauchte er einen Kuss auf Cornelias Wange und dann auf Emilys, bevor er Cornelias Bitte entsprach, sich Kaffee und alles, worauf er Appetit hatte, vom Büfett zu nehmen.
Nachdem er sich eine Tasse Kaffee aus der Silberkanne eingegossen hatte, setzte er sich auf einen Stuhl am Tisch und lächelte beide Frauen an.
»Wie konnte Seine Lordschaft einfach gehen und ein paar so wunderschöne Frauen wie euch beide allein lassen? Sicherlich weiß er doch, was für eine Verlockung ihr für jeden Strolch darstellt, der zufällig des Weges kommt.«
»Ich glaube, du vergisst, dass ich ein Kind erwarte«, entgegnete Emily und erwiderte sein Lächeln.
»Ja. Und es steht dir ganz ausgezeichnet«, antwortete Simon. Emily und Cornelia mussten lachen, und Cornelia klopfte ihm mit dem Löffel tadelnd auf den Arm. »Ich sehe, dein Verhalten hat sich nicht gebessert, seit wir uns das letzte Mal gesehen
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