Eine besondere Herzensangelegenheit
kürzer und leicht stufig schneiden lassen, aber zusammen mit einer etwas dunkleren Tönung war das Ergebnis wirklich spektakulär.
Als Karin mich so sah, glotzte sie mich zuerst an, als würde ich plötzlich im Elfenkostüm mitsamt Zauberstab und Flügelchen herumlaufen, aber im Lauf der Woche wurden ihre Blicke immer finsterer. Und ich kannte auch den Grund: Es passte ihr gar nicht, dass ich ihr als Lieblings-Lästerobjekt abhandenkam.
Den restlichen Kollegen schien meine Veränderung jedoch zu gefallen, und ich genoss ihre wohlwollenden Blicke.
»Da steckt doch bestimmt ein Mann dahinter«, vermutete Lina, als wir uns in der Küche beim Kaffeeholen trafen.
Ich dachte an Lily und grinste. »Du wirst es nicht glauben, aber manchmal können auch Frauen bei Frauen etwas auslösen«, gab ich mit einem vielsagenden Augenzwinkern zurück und ließ Lina verdattert in der Küche stehen. Ich war mir durchaus bewusst, dass vermutlich bald Gerüchte über meine »sexuelle Neuorientierung« die Runde machen würden, aber es war mir egal. Sollten die anderen sich doch das Maul zerreißen. Ich hatte Besseres zu tun, als mir darüber Gedanken zu machen.
Am Donnerstag hatte mein Chef wie jedes Jahr die gesamte Belegschaft zu einem Sommerfest eingeladen. Und – wie ebenfalls jedes Jahr – hatte ich überhaupt keine Lust auf das Event. Diese Firmenfeiern liefen immer nach dem gleichen Schema ab: Je später der Abend wurde, umso betrunkener waren die Gäste, in diesem Fall also meine Kollegen. Und leider stiegen damit der Schlüpfrigkeitsgrad der Witze und die Zahl der Anzüglichkeiten exponentiell an.
Doch auch wenn ich Zinkelmann normalerweise ohne Schwierigkeiten um den Finger wickeln konnte und absolute Narrenfreiheit bei ihm genoss, wagte ich es doch nicht, meine Teilnahme abzusagen.
Das Sommerfest war Zinkelmanns persönliche heilige Kuh, und das Abschlachten derselben wurde nicht nur mit bösen Blicken bestraft. Wer beim Sommerfest nicht erschien, durfte sicher sein, dass ihm in den folgenden Monaten sämtliche unliebsamen Arbeiten aufs Auge gedrückt wurden, die der Chef zu vergeben hatte. Und er war erstaunlich kreativ darin, sich solche Arbeiten einfallen zu lassen.
Daher beschloss ich, die Zähne zusammenzubeißen und das Sommerfest über mich ergehen zu lassen. Als Lina mir dann noch anbot, mich in ihrem Auto mitzunehmen, sagte ich spontan zu. Mir war natürlich bewusst, dass sie mich hauptsächlich mitfahren ließ, um eine Gelegenheit zu haben, mich in Ruhe auszuhorchen. Schließlich kursierten nach meinem Spruch in der Küche schon zahlreiche Gerüchte über mich. Das Interessanteste von ihnen, das mir bis dahin zu Ohren gekommen war, besagte, dass ich in ein paar Wochen mit meiner neuen Geliebten, einer Schwedin mit fünf unehelichen Kindern, in ein Reihenhäuschen mit Garten ziehen würde.
Einen Moment lang war ich in Versuchung, mir eine abenteuerliche Geschichte über mein Liebesleben auszudenken, die ich Lina im Auto erzählen würde – natürlich unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit. Vielleicht konnte ich etwas über eine untergetauchte Mafiabraut erfinden, die sich bei mir versteckt hielt. Oder wie wäre es mit einem flotten Dreier mit eineiigen Zwillingsschwestern? Es wäre bestimmt lustig zu beobachten, was daraus entstehen würde, wenn sie es munter weitertratschte. Dann aber verwarf ich den Gedanken wieder. Solche Scherze hatten die gefährliche Neigung, schnell nach hinten loszugehen.
Immerhin gab mir die Fahrgemeinschaft die Möglichkeit, auf der Feier das eine oder andere Glas Wein zu trinken. Zinkelmann hatte sich nämlich dieses Jahr ein großes Weingut in der Nähe von Landau ausgesucht, auf dem das Fest steigen sollte.
Wie üblich war Lina spät dran, als sie mich an unserem verabredeten Treffpunkt, einem kleinen Parkplatz in der Nähe meiner Wohnung, abholte. Als eine der Letzten trafen wir auf dem Weingut ein. Daher blieb uns nichts anderes übrig, als uns auf die beiden einzigen noch freien Plätze zu zwängen.
Erst als Lina mir vernichtende Blicke zuwarf, die scharf genug waren, mich jeweils längs und quer zu halbieren, wurde mir klar, dass ausgerechnet ich mich neben Rolf, den Vorarbeiter aus der Fertigung gesetzt hatte. Rolf war das schlimmste Großmaul, das mir in meinen sechsundzwanzig Lebensjahren begegnet war, und ein vollkommen von sich selbst überzeugter Weiberheld.
Noch schwerer zu ertragen als die Vorstellung, den ganzen Abend neben diesem Casanova im
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