Eine besondere Herzensangelegenheit
nächsten Schritt nachgedacht. Ich wollte ein gemeinsames Leben mit dir aufbauen. Aber du wolltest ja nicht mehr als eine lockere Beziehung, oder stimmt das etwa nicht? Du warst doch diejenige, die niemanden an sich heranlassen wollte. Vor allem mich nicht!«
»Fünfunddreißig Euro?«, fragte Ziegenbart vorsichtig.
»Halt die Klappe!«, schnauzten Paul und ich ihn wie aus einem Mund an.
Erschreckt wich er einen Schritt zurück. »’Tschuldigung«, stammelte er verwirrt. »Ich dachte nur ...«
Ratlos blickte er zwischen Paul, dem Aquarell und mir hin und her.
Ich fasste einen Entschluss. »Weißt du was«, sagte ich an Ziegenbärtchen gewandt. »Ich verkaufe dir das Bild für genau einen Euro. Mehr ist es nämlich nicht wert.«
Den entsetzten Blick von Paul, den ich aus den Augenwinkeln wahrnahm, versuchte ich dabei so weit wie möglich auszublenden.
Als ich zwei Stunden später die Treppe zu meiner Wohnung hinauflief, war ich zwischen meinen Gefühlen hin- und hergerissen.
Einerseits war ich ganz zufrieden, weil ich meine gesamte Ware verkauft hatte. Für mein sexy Kleid hatte sich eine Frau mittleren Alters brennend interessiert. Ich war mir zwar sicher, dass sie ihre nicht unerheblichen Speckröllchen niemals in das Kleidungsstück würde hineinpressen können, doch sie hatte sich den Kauf nicht ausreden lassen. Und sogar für mein Hintern-Sparschwein hatte sich ein Käufer gefunden, ein Mann um die sechzig, der mir versichert hatte, das Schwein wäre genau das richtige Geschenk für seine Frau zum Hochzeitstag. Ich hoffte für seine Frau, dass die Botschaft für sie der lüsterne Blick war, nicht der nackte Hintern.
Andererseits plagte mich immer noch mein schlechtes Gewissen. Ich wusste, dass ich Paul verletzt hatte. Es tat mir leid, aber irgendwie hatte ich es auch genossen. Er hatte mir so weh getan, als er sich von mir getrennt hatte, dass es für mich heute eine Genugtuung gewesen war, ihn leiden zu sehen.
Doch zum ersten Mal seit unserer Trennung überlegte ich, ob es nicht meine Schuld gewesen war, dass unsere Beziehung nicht funktioniert hatte. Vielleicht hatte er recht gehabt, als er behauptet hatte, er hätte damals alles für mich getan.
Er war der erste Mann gewesen, in den ich mich wirklich verliebt hatte. Und möglicherweise war gerade das es gewesen, das mir das Zusammensein mit ihm so schwierig gemacht hatte.
Ich wusste, dass es mir tatsächlich schwerfiel, Nähe zuzulassen. Doch ich wusste auch etwas, von dem er keine Ahnung hatte: Es tat anderen Menschen nicht gut, mit mir zusammen zu sein.
Als ich die letzten Stufen zu meiner Wohnung hinaufstieg, fiel mir sofort ein Paket ins Auge, das direkt vor der Tür an der Wand lehnte. Es war in braunes Packpapier gewickelt, doch ich erkannte sofort am Format, worum es sich handelte: Es war das Bild, das ich gerade auf dem Flohmarkt verkauft hatte.
Ungläubig riss ich die Karte ab, die mit einem Klebestreifen an der Verpackung befestigt war. Ich brauchte nur einen Blick, um die Handschrift darauf zu erkennen. Es war die von Paul. Er musste Ziegenbart gefolgt sein und ihm das Bild abgenommen haben. Und ich hoffte sehr, dass er es ihm abgekauft und nicht auf unschönere Weise abgenommen hatte.
Als ich den Text las, den er geschrieben hatte, musste ich schlucken. Er bestand nur aus einer einzigen Zeile:
Erinnerungen sollte man nicht zu billig verscherbeln.
Kapitel 15
Ich war ganz froh, dass ich in der nächsten Woche so viel Arbeit hatte, dass ich kaum zum Nachdenken kam. Und wenn in einer der wenigen stillen Minuten doch einmal Sebastians oder auch Pauls Gesicht in meinen Gedanken auftauchte, verbannte ich es sofort wieder daraus. Ich musste mich jetzt ganz auf meinen Job konzentrieren, da konnte ich keinerlei Ablenkung gebrauchen, sagte ich mir.
Nur ein kleines Highlight lockerte meinen Arbeitsalltag etwas auf, und zwar die Blicke, die Karin mir jedes Mal zuwarf, wenn wir uns begegneten.
Wie geplant hatte ich noch am Samstag das gesamte Geld, das ich beim Flohmarkt eingenommen hatte, für neue Klamotten ausgegeben, und ich hatte noch einen ordentlichen Betrag draufgelegt.
Statt meines üblichen Outfits aus grauer Hose und weißer Bluse trug ich am Montag einen schmalen Rock und ein raffiniert geschnittenes Shirt. Meine Ballerinas hatte ich gegen Pumps mit halbhohen Absätzen getauscht. Sogar ein leichtes, dezentes Make-up hatte ich aufgelegt. Am auffälligsten war aber meine neue Frisur. Ich hatte meine Haare nur etwas
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