Eine betoerende Schoenheit
nicht schwarz – eher ein dunkles Ocker, das von bronzefarbenen Schlieren durchzogen wurde. „Haben Sie anderweitig schon einmal nach Fossilien gesucht?“
„Nein.“
„Warum nicht, wenn es Ihnen doch so viel Freude bereitet?“
Sie antwortete nicht.
„Vergessen Sie bitte nicht, meine Liebe, dass ich Sie nicht sehen kann. Achselzucken und Augenrollen scheiden also als Antwort aus.“
„Ich habe nicht mit den Augen gerollt.“
„Aber Sie haben die Achseln gezuckt?“
Er deutete ihr Schweigen als Ja. „Sie haben erzählt, dass Sie sechzehn waren, als Sie den schwäbischen Lindwurm gefunden haben. Wie alt waren Sie, als Sie geheiratet haben?“
„Siebzehn.“
„Fand Ihr verstorbener Ehemann, es sei kein angemessener Zeitvertreib für eine Frau, mit scharfen Werkzeugen und alten Knochen herumzufuhrwerken?“
Es blieb wieder still – also wieder schweigende Zustimmung.
„Wenn ich mich recht erinnere“, sagte er, „sind einige der bedeutendsten Funde in der Geschichte der britischen Paläontologie einer Frau zu verdanken.“
„Ja, Mary Anning. Ich habe von ihr gelesen. Mein Mann sagte, ihre Funde basierten auf purem Glück.“
Er schnaubte. „Wenn Gott es für richtig hielt, einer Frau so viel blindes Glück zu schenken, kann er absolut nichts dagegen haben, wenn sie sich einer solchen Aufgabe widmet.“
Das Kratzen des Stifts verstummte. Ihre Schritte bewegten sich auf den Schreibtisch zu – um ein weiteres Blatt Papier zu holen? „Sie versuchen, mich mit Worten zu verführen“, sagte sie tadelnd.
„Das heißt nicht, dass ich es nicht ernst meine. Begleiten Sie mich auf meine nächste Ausgrabung, wenn Sie mir nicht glauben.“
„Ich dachte, es sei unmissverständlich klar, dass ich mich in Luft auflöse, sobald Land in Sicht kommt.“
„Aber nichts hält Sie davon ab, zu mir zurückzukommen, oder nicht? Sie wissen, wer ich bin. Sie wissen, wo Sie mich finden.“
„Sie werden bald heiraten, das ist Hinderungsgrund genug.“
„Ich kann die Hochzeit verschieben.“ Seine Stiefmutter würde ihm den Kopf abreißen, aber für die Baronin würde er einen Tobsuchtsanfall der verwitweten Herzogin in Kauf nehmen.
„Das wird nichts ändern.“
Er schüttelte den Kopf. „Sie sind herzlos, Baronin.“
Ohne einen Moment zu zögern sagte sie: „Und Sie, Herzog, wollen zu viel.“
Nach diesem Wortwechsel ließ er sie in Ruhe, aber Venetias Konzentration war dahin.
Warum musste ausgerechnet er sich als so aufgeschlossen erweisen und sie auf eine richtige Expedition einladen? Sie träumte seit Jahren davon. Jedes Mal, wenn sie von einer bedeutenden Entdeckung gehört hatte, hatte sie sich gewünscht, dass sie diejenige gewesen wäre, die eine Ader sedimentreicher Schichten gefunden und das Privileg gehabt hätte, die verborgene Geschichte der geologischen Vergangenheit ans Licht zu holen.
Nach einer Viertelstunde sammelte sie die angefertigten Zeichnungen ein und setzte ihren Hut wieder auf. Es wäre unhöflich gewesen, ihn die Augenbinde noch länger tragen zu lassen. „Vielen Dank. Es war mir ein Vergnügen. Ich finde selbst hinaus.“
Ging sie vorsätzlich zu nah an der Chaiselongue vorbei? Ihr stockte der Atem, als er sie herab und auf sich zog. Er stieß ihr den verschleierten Hut vom Kopf und küsste sie verlangend. Das Blut in ihren Adern erhitzte sich. Bestimmte Regionen ihres Körpers begannen, vor Begierde zu pulsieren.
„Ich will nicht zu viel“, flüsterte er an ihren Lippen. „Wenn Sie am Ende unserer Reise verschwinden werden, ist es nur fair, dass ich Sie für den verbleibenden Rest nicht mehr aus den Augen lasse.“
Er hätte mit der Augenbinde hilflos aussehen müssen. Er wirkte aber absolut zielstrebig und selbstsicher. Ihr Herz raste. „Ich muss gehen.“
„Wann werde ich Sie wiedersehen?“
„Sie müssen mich nicht wiedersehen.“
„Doch, das tue ich, und zwar mit absoluter Sicherheit – ich habe seit sehr langer Zeit nichts halb so sehr genossen wie Ihre Anwesenheit.“
Warum nahm er sie dann nicht auf der Stelle? Sie spürte sein erregtes Glied an ihrem Bauch. Sie wollte, dass er sie wie ein plündernder Barbar davontrug und sich über ihren Willen hinwegsetzte.
„Süßholzraspeln ist bei mir vergebens“, erklärte sie, ein Bekenntnis aus stockenden Silben.
„Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie Süßholz geraspelt“, erklärte er mit Nachdruck. „Wenn ich mit anderen Frauen zusammen bin, dann ist es, als sei nur ein Teil von mir da, und
Weitere Kostenlose Bücher