Eine bezaubernde Erbin
selbst gerichtet. „Denkst du, es ist falsch? Bist du deshalb nicht im Geringsten daran interessiert, dass die Dinge so werden, wie sie hätten sein können … hätten sein müssen?“
„Wir können die Zeit nicht zurückdrehen, Isabelle. Du kannst keine Vergangenheit erschaffen, die nie geschehen ist. Du – wie wir alle – musst vorwärts gehen.“
Sie klammerte sich an sein Revers, ihre Stimme klang dumpf. „Die Zukunft versetzt mich in Angst und Schrecken. Die besten Jahre meines Lebens liegen hinter mir. Jetzt bin ich nur eine Witwe mit zwei Kindern, die nicht weiß, was sie mit sich anfangen soll.“
Er hob ihr Gesicht mit einer Hand. „So darfst du nicht denken. Du hast dein Leben noch vor dir.“
„Aber so denke ich. So denke ich schon seit einer Weile.“ Sie berührte seine Wange und ihre Hand war so kalt wie ihre Angst. „Lass mich nicht allein, Fitz. Lass mich nicht allein.“
Venetia strahlte förmlich, doch wenn Millie in einen Spiegel gesehen hätte, hätte sie ein Gesicht erblickt, in dem das Licht – bis auf ein winziges Aufflackern dann und wann – erloschen war.
„Ich hatte gehofft, Fitz würde dich begleiten“, sagte Venetia.
Millie nahm all ihre Kraft zusammen. „Er besucht heute Nachmittag Mrs Englewood.“
„Sie ist schon zurück aus Schottland? Ich dachte, sie bliebe eine ganze Woche.“
„Ich auch.“
„Ich will ja nicht neugierig sein – nun, das ist nicht richtig, ich wäre so neugierig wie eine Katze, wenn ich könnte –, aber ich mache mir schreckliche Sorgen, dass Fitz im Moment nicht klar denkt.“
Millie schenkte ihnen Tee ein, froh über den Grund, Venetias Blick nicht begegnen zu müssen. „Er hat sich entschieden, bei Mrs Englewood zu bleiben.“
„Das tut mir leid. Ich halte Fitz eigentlich nicht für dumm, doch das ist in der Tat eine dumme Entscheidung.“
Millie biss sich auf die Innenseite ihrer Wange. „Gibt es in der Liebe je so etwas wie eine weise Entscheidung?“
„Ja, da bin ich mir sicher. Ich weigere mich, daran zu glauben, dass jede glückliche Ehe unter der Sonne lediglich Glück und reiner Zufall ist. Irgendwann muss irgendjemand die verschiedenen Möglichkeiten abgewogen und eine gute Wahl getroffen haben, ob es nun die Entscheidung für einen Partners oder die Entscheidung für ein Verhalten in einer Ehe ist.“
„Er liebt Mrs Englewood.“
„Das hat er früher einmal geglaubt – doch jetzt nicht mehr. Er hat sie geliebt, vor vielen Jahren, als sie noch Kinder waren. Hätten sie damals geheiratet, würden sie vermutlich gut zueinander passen. Aber das haben sie nicht getan, und ihre Wege haben sich getrennt. Und ich bin mir nicht sicher, ob das, was er für Liebe hält, nicht einfach nur das Echo liebevoller Erinnerungen ist, eine Nostalgie, die sich als Blaupause für eine Zukunft ausgibt. Aber ihr beide habt eine so starke Zuneigung zueinander entwickelt, gemeinsame Interessen und gemeinsame Ziele. Ich kann nicht glauben, dass er das alles für etwas fast völlig Illusorisches wegwerfen wird.“
Millie war überaus dankbar für Venetias Unterstützung, aber in solchen Angelegenheiten zählte die Meinung einer Schwester herzlich wenig, ganz gleich wie sehr man sie auch liebte. Sie hob ihren Kopf. „Wir waren immer nur Freunde. Freundschaft ist Liebe ohne Flügel, und wer würde sich schon für etwas entscheiden, was nicht fliegen kann?“
Da, sie hatte es gesagt. Sie hatte ihre Verbitterung und ihren Unmut in ihre Worte fließen lassen. Selbst ihre Haut hatte sich vermutlich zornesrot verfärbt.
Venetia starrte Millie an, ihr schönes Gesicht traurig, doch nicht weniger strahlend. „Nein, meine liebe Millie, da liegst du falsch. Liebe ohne Freundschaft ist wie ein Papierdrachen, sie fliegt nur, wenn die Winde günstig stehen. Freundschaft ist es, die der Liebe ihre Flügel verleiht.“
Fitz fand Millie in ihrem Wohnzimmer, wo sie lustlos in ihrem Abendessen herumstocherte.
Er ließ sich auf den Stuhl ihr gegenüber fallen, streckte die Beine von sich und legte den Kopf in den Nacken. Er sah an ihre Zimmerdecke, die mit – seine Augen weiteten sich – Heißluftballons und Luftschiffen bemalt war.
Er lächelte bei der Erinnerung – was für ein herrliches Abenteuer das gewesen war.
Sie sagte nichts. Es war eine angenehme Stille. Er hatte die Augen halb geschlossen. Ihr Besteck klirrte sanft gegen den Teller.
„Also, was ist los?“, fragte sie ein paar Minuten später.
Er erkannte, dass er nur darauf gewartet
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