Eine Billion Dollar
gestärkten Serviette abtupfte, »dann haben Sie eine Vorstellung davon, dass dreihundert Florin damals ein hübsches Vermögen darstellten. Weniger hübsch zweifellos, wenn man in dieser Höhe verschuldet war.«
»Giacomo Fontanelli war ein Kandidat für den Schuldturm«, warf Alberto Vacchi ein, hingebungsvoll mit Messer und Gabel hantierend.
Der Padrone griff nach seinem Weinglas und nippte daran. »Er muss zumindest in ziemliche Bedrängnis geraten sein.«
»Wäre nicht denkbar«, schlug Ursula vor, »dass er über die Jahre Reserven gebildet hat, die in den Büchern nicht auftauchen? Dann wäre die letzte Seite einfach eine Zusammenstellung der zu begleichenden Schulden. Ich stelle mir vor, dass er seine weltlichen Angelegenheiten geordnet hat, ehe er ins Kloster gegangen ist.«
»Im Prinzip ja«, sagte Gregorio Vacchi schmallippig. Er schien ein derartiges Verhalten entschieden zu missbilligen. »Allerdings geht aus seinen geschäftlichen Aufzeichnungen nicht hervor, wie er derartige Reserven hätte bilden sollen. Seine Geschäfte gingen einfach nicht gut genug, um es klar zu sagen.«
Ursula legte ihre Gabel beiseite und sah die drei Männer der Reihe nach an. »Und das hat Sie nie stutzig gemacht? Nie an Ihrer Mission zweifeln lassen? Dass Sie nicht wissen, woher das Geld stammt, auf dem alles beruht?«
Sie hielten inne, sahen einander an, und Cristoforo Vacchi legte schließlich ebenfalls das Besteck ab und faltete die Hände bedächtig auf der Kante des Tisches vor seinem Teller. »Um das zu verstehen«, sagte er, »müssen Sie wissen, dass wir die Bücher Giacomo Fontanellis noch nicht so lange besitzen. Sie sind in unseren Besitz gelangt, als ich noch ein Kind war, am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, und damals hatte niemand Zeit, sich eingehend damit zu beschäftigen. Offen gestanden sind wir erst vor wenigen Jahrzehnten auf den Sachverhalt aufmerksam geworden, den Sie entdeckt haben.«
»Vor wenigen Jahrzehnten?«, echote Ursula überrascht. Auf der Herfahrt hatte sich das noch so angehört, als zerbräche sich die Familie Vacchi seit Jahrhunderten den Kopf darüber. »Und wie kam das? Ich meine, wo waren die Bücher so lange?«
»Im Kloster des heiligen Stephanus.«
»Fontanellis Kloster?«
»Genau. Das war ein winziges Felsenkloster in den Apenninen; wenn Sie heute von Florenz in Richtung Forli fahren, kommen Sie an der Ruine vorbei. Es wurde um 1890 herum aufgegeben und stand leer, bis Mussolini ein Munitionslager daraus machte, das noch kurz vor Kriegsende in die Luft flog. Man sagt, durch einen Fliegerangriff.«
»Und die Bücher?«
»Sind, soweit ich weiß, bei der Auflösung des Klosters mit anderen Unterlagen zusammen nach Rom gebracht worden. Dort müssen sie einige Jahrzehnte gelagert haben, bis jemand auf die Idee kam, die Kontenbücher an meine Familie weiterzuleiten.«
»Und wer war das?«
Cristoforo Vacchi hob müde die Schultern. »Tut mir leid. Wie gesagt, ich war noch ein Kind.«
»Hmm. Sie haben gesagt, dass es noch andere Unterlagen gab…«
»Mein Vater hat mir das einmal erzählt. Dass es sie gab. Er wusste nicht, was es für Unterlagen waren und wo sie abgeblieben sind.«
»Aber das wäre doch interessant zu wissen«, sagte Ursula Valen und spürte etwas, das nur Adrenalin sein konnte. »Oder?«
Er erwachte, weil ein Sonnenstrahl durch das Fenster fiel und ihn in der Nase kitzelte. Immer noch unterwegs, sagte ihm ein Blick aus dem Fenster; die Wolken unter ihnen waren ein prachtvoller Anblick und der sich über der Maschine ehrfurchtgebietend dunkel wölbende Himmel nicht minder. Er konsultierte die Uhr. Nicht mehr lange. Weiter hinten hörte er die Leibwächter in gedämpfter Lautstärke reden. Gegen das gleichmäßige Geräusch der Triebwerke war nicht zu verstehen, worüber; belanglose Gespräche vermutlich, um sich die Zeit zu vertreiben.
Das hätte er sich niemals träumen lassen. Dass ein Teil des Weges, die Prophezeiung zu erfüllen, so etwas sein könnte wie das, was auf ihn wartete: mit einer gemieteten Schönheit umherzuziehen und den Playboy zu mimen. Wie lächerlich. Und wie peinlich, falls die Wahrheit jemals ans Licht kommen sollte.
Es war eine Landung wie jede andere, und auch der Flughafen sah aus wie alle Flughäfen. Sie bekamen ihren abgesicherten Stellplatz zugewiesen, und wie immer wartete eine Limousine, eine große weiße diesmal, die aussah wie ein Cadillac, aber keiner war. Egal. Er war in den letzten beiden Jahren so viel geflogen,
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