Eine Billion Dollar
aber dieses Gefühl hatte er in letzter Zeit oft bei Leuten. Eine Nachwirkung der Medikamente, die er zu Anfang bekommen hatte, behauptete Doktor Doddridge, sein Therapeut.
Marvin zuckte mit den Schultern. »Ich schätze, die müssen das so machen. Es gibt ein paar ziemlich kaputte Typen hier.«
»Sie scheinen nicht dazu zu zählen. Zu den kaputten Typen, meine ich.«
»Gott, nein. Ich hab ja auch nur ganz wenig genommen. Hätte jederzeit damit aufhören können, wenn ich gewollt hätte.« Marvin griff nach einem Grashalm, riss ihn ab und nahm ihn zwischen die Lippen. Sah cooler aus so, fand er. »Das gehörte irgendwie dazu zu dem ganzen Rockstar-Ding, wissen Sie? Man steht einfach unter einem unmenschlichen Druck. Das kann einen echt fertig machen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Hmm«, machte der Unbekannte. »Aber es scheint Ihnen wieder ganz gut zu gehen.«
»Ja, doch.« Er hatte nur verschwommene Erinnerungen daran, wie es ihm früher gegangen war. Doch es würde ihm wieder einfallen, meinte Doktor Doddridge. »Was die da alles mit einem machen, das ist echt enorm. Wasserkur, Entgiftung, Hypnose, Gesprächstherapie – doch, ja, die haben mich wieder ganz gut hingekriegt.«
Der Blick des Mannes hatte etwas Lauerndes, Schlangenartiges. »Und warum sind Sie dann noch hier?«
»Keine Ahnung. Schätze, so ganz wiederhergestellt bin ich vielleicht doch noch nicht.«
»Und das glauben Sie wirklich?«
Marvin sah den Unbekannten misstrauisch an. Er trug einen dunkelroten Strickpullover, und am Hals quoll ihm dicke schwarze Körperbehaarung aus dem Ausschnitt. »Wie meinen Sie das?«
»Sie haben mich schon verstanden. Haben Sie sich noch nie die Frage gestellt, was hinter all dem, was Ihnen zugestoßen ist, tatsächlich steckt?«
»Was soll denn dahinter stecken?«
»Denken Sie mal darüber nach«, empfahl ihm der Mann und wandte sich zum Gehen.
»Hey, was soll das heißen?«, begehrte Marvin auf, wäre ihm am liebsten nachgestiegen. »Sie können mich doch nicht einfach hier stehen lassen? Wer sind Sie überhaupt?«
Der Mann hob nur kurz die Hand, ohne sich noch einmal umzudrehen. »Ich komme wieder«, rief er. »Denken Sie solange darüber nach.« Damit verschwand er zwischen den Bäumen.
Am liebsten hätte Marvin diese Begegnung aus seiner Erinnerung gestrichen, aber natürlich musste er den ganzen restlichen Tag an nichts anderes denken. Und mitten in der Nacht fiel ihm ein, woher er den Mann kannte.
Die Medien konnten sich mit dem Begriff World Speaker nicht anfreunden. Nicht einmal die zum Fontanelli-Konzern gehörenden Zeitungen und Fernsehsender hielten sich lange damit auf. Was man in den Nachrichten erfuhr, war, dass ein Weltpräsident gewählt werden solle. Und die ersten Kommentatoren schienen sich nicht sicher zu sein, ob sie nicht einem bösen Scherz aufsaßen.
Sie hätten gut daran getan, einmal in ihrer Anzeigenabteilung nachzufragen. Schon am Tag darauf erschienen in praktisch allen freien Zeitungen der Welt – sogar in einigen regierungseigenen Blättern, wo derlei noch nie vorgekommen war – doppelseitige, ordnungsgemäß bezahlte Anzeigen, in denen sich die Organisation We The People vorstellte und den Zeitplan und die Modalitäten der Abstimmung erläuterte. Staunende Menschen auf allen Erdteilen erfuhren, dass sich jeder Erwachsene um das Amt des World Speaker bewerben konnte, vorausgesetzt, er brachte eine ausreichende Anzahl von Unterschriften zusammen von Leuten, die seine Kandidatur unterstützten, wobei es sich bei der Hälfte davon nicht um Menschen der eigenen Nationalität handeln durfte. In Kneipen und Kantinen wurden die ersten Kandidaturen erwogen, noch ehe die Regierungen der Welt sich von ihrer Verblüffung erholt hatten. Bereits am zweiten Tag nach Beginn der Kampagne gingen die ersten Bewerbungen in New York ein. Und die Serie riesiger Anzeigen ging weiter. Minutenlange Spots im Fernsehen, zu den besten und teuersten Sendezeiten, folgten. Das Logo mit den fünf bunten Köpfen tauchte plötzlich überall auf, an Plakatwänden, in U-Bahn-Stationen, auf der Rückseite von Kinotickets, am Rand von Fußballfeldern, auf Bussen und Bahnen und vor jedem einzelnen Film, der in irgendeinem Kino irgendwo auf dem Planeten lief. Auf der Internetseite von We The People konnte man nachlesen, dass die Organisation bis zum Wahltermin mehr für Werbung ausgeben würde als die Coca-Cola-Corporation in zehn Jahren. Man begriff, dass We The People Geld ohne Ende hatte und
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