Eine Billion Dollar
Unterschriften, die Listen von Konten und Kontoständen, sie bewiesen etwas, was ansonsten völlig abstrakt blieb: dass er reich war. Er fühlte sich nicht reicher, als er sich heute Morgen um vier Uhr gefühlt hatte. Was hatte diese Zeremonie verändert? Nichts. Er war vorher zu Gast gewesen bei Leuten, die er noch keinen Monat kannte, und er war es immer noch.
Als die Straßen schmaler wurden und sie schließlich wieder ins Dorf fuhren, standen Hunderte von Leuten Spalier, klatschten Beifall, warfen Luftschlangen. Auf einem freien Feld entdeckte John Zelte und Karussells, die am Morgen noch nicht da gewesen waren. Ein Volksfest, zweifellos ihm zu Ehren. Als ob er etwas vollbracht hätte, wofür ihm Ehre gebührte.
In der Eingangshalle der Villa erwartete sie ein Tisch mit Champagnergläsern und einer großen, staubigen Flasche in einem gläsernen Kühler.
»Wir haben uns erlaubt«, erklärte Cristoforo, »ein kleines Fest für Sie auszurichten. Das heißt, es ist vor allem Eduardo gewesen, der sich um alles gekümmert hat.«
John nickte beklommen und hatte das Gefühl, Ameisen statt Blut in den Adern zu haben. Er sah zu, wie die Gläser eingeschenkt wurden, und wäre am liebsten losgerannt, irgendwohin, um Wäsche zu mangeln oder Pizzen auszufahren.
Alberto Vacchi hob sein Glas empor. Ein letzter Sonnenstrahl traf durch eines der Fenster über der Balustrade direkt darauf und ließ die Bläschen darin aussehen wie Perlen. »Ich würde gern sagen können«, erklärte er, »dass wir diese Flasche bei Ihrer Geburt gekauft und bis zum heutigen Tag aufbewahrt hätten. Leider stimmt das nicht, ich habe sie erst letzte Woche erstanden. Aber sie ist so alt wie Sie, John – achtundzwanzig Jahre alter Champagner, einer der besten, den man für Geld kaufen kann. A votre sant! «
John kam sich den ganzen Abend vor wie im falschen Film. Eduardo half ihm, den Frack korrekt anzuziehen, und er erschrak regelrecht vor der ehrfurchtgebietenden Erscheinung im Spiegel. Aber als ihm dann reihenweise distinguierte Männer in ähnlichem Outfit und Frauen von atemberaubend aristokratischem Äußeren vorgestellt wurden – sogar Marco und die anderen Bodyguards steckten in vornehmen Anzügen –, war er froh, einigermaßen ebenbürtig gekleidet zu sein.
Auch später, während ein Pianist zusammen mit zwei Streichern dezente Plaudermusik zum Besten gab und alles mit Gläsern und kleinen Snacktellern in der Hand herumstand und redete, als würde es morgen verboten, fühlte John sich wie unter einem Mikroskop. Männer lachten laut über seine Witze, Frauen streckten ihm mit strahlendem Lächeln eindrucksvolle Dekolletees entgegen, und alles nur, weil er reich war. Jedem, mit dem er sprach, war das Bemühen anzumerken, Eindruck zu machen, seine Sympathie zu gewinnen, und alles nur, weil er mehr Geld hatte als sonst jemand auf diesem Planeten.
Kein Einziger unter all diesen Menschen hätte ihn vor sechs Wochen, als er hungrig und frierend und mit nur zehn Cent in der Tasche durch New York getigert war, auch nur eines Blickes gewürdigt. Dabei war alles, was sich geändert hatte, seine Kleidung, sein Haarschnitt und die Zahl auf seinem Bankkonto.
Na gut – die Zahlen auf seinen zweihundertfünfzigtausend Bankkonten.
»Wie fühlt man sich als Billionär?«, wollte ein Mann wissen, der um die fünfzig sein mochte, einen Anzug mit einem Kragen aus Leopardenfell trug und einen Ring mit einem Saphir von der Größe eines Ochsenauges und, wenn John sich recht erinnerte, ein berühmter Filmproduzent war.
»Das wüsste ich auch gern«, bekannte John. »Ich meine, ich kann mich auch nur satt essen und nur jeweils eine Hose zu einer Zeit tragen … Eigentlich denke ich, dass es viel zu viel Geld ist für einen einzelnen Menschen.«
Irgendwie war das nicht das, was der Mann hatte hören wollen. »Sie spielen den Bescheidenen, Signor Fontanelli«, meinte er und fasste John kritisch ins Auge. »Aber mich täuschen Sie nicht. Ich kenne die Menschen, weiß Gott.«
John sah ihm nach, als er sich unter die anderen Gäste mischte, und fragte sich, ob es Leute gab, die in ihm nicht nur eine potenzielle Kreditquelle sahen, sondern auch so etwas wie ein Idol. Der reichste Mann der Welt – wenn der nicht glücklich ist, dann gibt es so etwas wie Glück nicht. Ungefähr nach diesem Motto.
»Wie fühlt man sich eigentlich so als Billionär?«, wollte eine Frau wissen, die ihr Haar hochtoupiert trug und deren Kleid vorn hochgeschlossen, am Rücken
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