Eine Billion Dollar
herauszog.
»Vielleicht hat er was von seinen alten Sachen angezogen?«, meinte der ungepflegte Amerikaner.
»Weshalb hätte er das tun sollen?«
»Vielleicht war ihm danach, ein bisschen auszubüchsen und sich unters gemeine Volk zu mischen?«
»Er hatte hier ein Fest mit über hundert geladenen Gästen. Wohl kaum der geeignete Zeitpunkt für so etwas.«
Der Mensch mit den fettigen Haaren und dem T-Shirt, das höchstens noch als Lumpen für eine Motorölkontrolle taugte, machte eine wegwerfende Handbewegung. »Kommen Sie! Wenn ich einen wie John entführen will, dann mache ich das doch nicht während einer Party, wenn tausend Leute herumlaufen und eine Million Dinge schief gehen können.« Er wandte sich an Marco. »An Ihrer Stelle würde ich in diesem Capnnori nach einem Burger King oder so was Ausschau halten.«
Sie fanden John tatsächlich in einem McDonald’s-Restaurant im Zentrum von Capnnori. Er trug Jeans, ausgeleierte Turnschuhe und ein rot-schwarz kariertes, vielfach geflicktes Hemd, saß allein an einem schmierigen Tisch und vertilgte gerade seine letzten Pommes frites, als sie bei ihm auftauchten: Marco, Eduardo und zwei weitere Bodyguards mit ausgebeulten Jacketts.
»Wo kommt ihr denn her?«, fragte er stirnrunzelnd und nuckelte an seiner Cola. »Müsstet ihr nicht auf der Party sein?«
»Die Party ist vorbei, John«, erklärte Eduardo. »Wir dachten, du seist entführt worden.«
»Entführt? Meine Güte. Ich war nur nicht in Stimmung. Und außerdem wollte ich mal herausfinden, ob mir ein Big Mac noch schmeckt.« Er lächelte zufrieden. »Und siehe da, er schmeckt noch.«
Eduardo starrte ihn an, und jeder konnte sehen, dass er eine Menge von dem, was ihm auf der Zunge lag, hinunterschluckte. Und es schauten schon massig Leute her zu diesen seltsamen Männern in feinen Anzügen, die um einen jungen Burschen herumstanden, der nichts getan hatte. Sah nach Mafia aus, fand der Manager des Restaurants und erwog, die Polizei zu rufen.
»Ich habe mir verdammte Sorgen gemacht«, sagte Eduardo schließlich. »Du hättest mir Bescheid sagen sollen.«
John lächelte nicht mehr. »Ich wollte wissen, ob ich noch irgendwohin gehen kann, ohne jemandem Bescheid zu sagen.« Er knüllte die Serviette zusammen, warf sie auf das Tablett und stand auf. »Okay, jetzt weiß ich es. Gehen wir.«
14
Der Strand gehörte Leuten, die keine Zeit hatten, am Strand zu sein, deshalb lag er still und verlassen. An diesem Morgen hielt sich selbst die Sonne hinter blassen Wolken versteckt. Das Meer schwappte träge die graue, sandige Schräge hoch. Die Häuser jenseits der trockenen Böschung wirkten abweisend und desinteressiert.
Seit ein paar Tagen hätte jemand, den das interessierte, einen Mann den Strand entlanggehen sehen können, stundenlang, oft mehrmals am Tag. Ihm folgte ein zweiter Mann, immer in einigem Abstand, als habe er mit dem ersten nichts zu tun, aber geschworen, jede seiner Bewegungen mitzumachen. Sie wanderten den Strand entlang, langsam, weil man nicht gut vorankam in dem Sand, bis sie das nördliche Ende erreichten, wo der Strand schmaler wurde und Felsen begannen, dann kehrten sie wieder um und wanderten zurück. Am südlichen Ende endete der Strand abrupt an der Betonmauer einer Kanalisationsmündung, auch dort kehrten sie wieder um.
An diesem Morgen tauchte plötzlich ein dritter Mann auf, der den beiden nacheilte. Ein ganz und gar aussichtsloses Unterfangen. Der Mann hatte einen beachtlichen Leibesumfang vorzuweisen, sein Atem ging pfeifend und bald so schnell, dass er stehen bleiben musste, um zu verschnaufen. Er verlegte sich aufs Rufen und Winken, und es gelang ihm, die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zu lenken, die daraufhin sofort kehrtmachten und ihm entgegenkamen.
»Danke, dass Sie kommen konnten«, sagte John, als er Alberto Vacchi erreicht hatte, und schüttelte ihm die Hand. »Wenn ich geahnt hätte, wie schnell Sie sind, hätte ich Sie natürlich im Haus erwartet.«
»Es klang sehr dringend am Telefon«, meinte der Anwalt und wischte sich ein paar Schweißtropfen aus dem Ansatz seiner schwarz gelockten Haare.
»Nein, ich habe doch nur gesagt… Hmm. Klang es wirklich dringend?« John runzelte die Stirn. »Ja, vielleicht ist es dringender, als mir bewusst ist. Kommen Sie, gehen wir ins Haus zurück.«
Ein Beobachter hätte bei diesem Satz ein verstohlenes Lächeln der Erleichterung über das Gesicht des Leibwächters huschen sehen. Die Bodyguards verlosten inzwischen die
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