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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Strandspaziergänge unter sich, und wer verlor, musste John Fontanelli begleiten.
    »Und?«, wollte Alberto Vacchi wissen, während sie den Weg zurückstapften, den er gekommen war. »Wie gefällt es Ihnen in Ihrem neuen Heim?«
    »Gut, danke. Ich muss mich noch ein bisschen daran gewöhnen, dass dauernd jemand vom Personal da ist und um mich herumräumt, aber es gibt Schlimmeres.«
    »Ich habe mich etwas gewundert, dass Eduardo nicht da ist; Sie beide haben die letzten Wochen doch dauernd zusammengesteckt…«
    John lächelte flüchtig. »Ich glaube, er ist noch etwas verstimmt wegen meines Ausflugs nach Cap­nnori.«
    Alberto nickte verstehend. »Das Gefühl hatte ich auch. Aber das gibt sich wieder.« Er warf ihm einen kurzen Blick von der Seite zu. »Aber das war es nicht, weswegen Sie mich sprechen wollten, oder?«
    »Nein.« John blieb abrupt stehen, sah hinaus auf das graue Meer, kaute dabei auf seiner Unterlippe und schaute Alberto dann plötzlich an, mit einer Heftigkeit im Blick, als müsse er Anlauf nehmen für die Frage, die er zu stellen hatte. »Was war Lorenzo für ein Mensch?«
    »Was?«, schnappte der Anwalt überrascht.
    »Sie haben ihn gekannt. Erzählen Sie mir etwas über ihn.«
    »Lorenzo…« Alberto Vacchi senkte den Kopf, betrachtete seine Schuhspitzen und den Sand, der daran klebte. »Lorenzo war ein zartes Kind. Frühreif, intelligent, sehr musikalisch, sehr belesen… Er entwickelte diese Allergien. Gegen Haselnüsse, Äpfel, gegen Nickel, und so weiter. Davon bekam er Ausschläge, manchmal musste er sich sogar hinlegen, weil sein Kreislauf verrückt spielte. Richtig dramatisch war die Bienengiftallergie. Als Siebenjähriger ist er einmal gestochen worden und musste sofort ins Krankenhaus. Na ja – und das mit den fünf Stichen wissen Sie ja. Vier davon im Innern der Mundhöhle. Er muss in eine Frucht gebissen haben, in der Bienen gesteckt haben, meinte der Arzt; eine Birne wahrscheinlich, die mochte er gern, abgesehen davon, dass es eine der wenigen Obstsorten war, die er vertrug.«
    »Hat er sich denn nicht in Acht genommen vor Bienen?«
    »Doch, und wie. Er hatte panische Angst vor allen Insekten. Nein, panische Angst ist nicht das richtige Wort – er passte sehr gut auf. Mied die Berührung mit Insekten äußerst sorgfältig. Er trug selten kurze Hosen und immer Hemden mit langen Ärmeln, wenn er hinausging, und er ging nie barfuß.« Alberto seufzte. »Und dann passiert so was. Es ist tragisch. Wirklich sehr tragisch. Ich mochte ihn gern, wissen Sie?«
    John nickte langsam, versuchte sich vorzustellen, was das für ein Junge gewesen sein mochte. Lorenzo Fontanelli. »Sie sagten, er war sehr musikalisch?«
    »Wie? Ja, richtig. Sehr musikalisch. Er spielte Klavier und Querflöte. Nahm zusätzlichen Unterricht, spielte eine Zeit lang im Schulorchester. Überhaupt war er gut in der Schule. Es gab nie Probleme. Was Mathematik anbelangte, war er wohl so etwas wie ein Wunderkind; mit zwölf fand er ein Buch über Infinitesimalrechnung unter den Sachen seines Großvaters und brachte sich alles, was darin stand, selber bei. Ich weiß, ehrlich gesagt, heute noch nicht, was es damit auf sich hat, vielleicht beeindruckt es mich deshalb so. Jedenfalls, kurz darauf nahm er an einem Mathematikwettbewerb für Schüler teil und gewann den ersten Preis. Da kam er sogar in die Zeitung, mit Bild. Ich habe den Ausschnitt aufgehoben; ich kann ihn Ihnen einmal zeigen, wenn Sie wollen.«
    »Ja. Gern.«
    Alberto sah John an, der gedankenverloren in die Weite starrte. »Ich habe das Gefühl, ich hätte Ihnen all das nicht erzählen sollen.«
    John atmete langsam ein und aus, es klang wie ein Echo von Ebbe und Flut. »Er war der geeignete Kandidat, nicht wahr?«
    »John – Sie sollten sich nicht quälen damit.«
    »Sie haben es geglaubt, oder?«
    »Was spielt das denn für eine…« Alberto hielt inne. Seine Schultern fielen wehrlos herab. »Ja. Wir haben es geglaubt, alle. Wir konnten es manchmal nicht fassen, dass die Vorsehung einen Menschen zum Erben des Fontanelli-Vermögens gemacht hatte, der derart geeignet schien, Außerordentliches damit zu vollbringen.«
    John lächelte dünn, fast schmerzlich. »Und dann hatten Sie plötzlich mich am Hals. Muss eine ganz schöne Enttäuschung gewesen sein.«
    »So denken wir nicht, John«, sagte Alberto Vacchi. In seiner Stimme war auf einmal ein warmer, besorgter Klang. »Sie kennen meinen Vater. Er glaubt an Sie, so unbeirrbar wie an den Lauf der Sonne. Und wir

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