Eine Braut fuer den italienischen Grafen
und Verständnis ein, das er ihr bei der Beerdigung ihrer Mutter entgegengebracht hatte. Sie fragte sich, wie gut sie ihn wirklich kannte. Nicht annähernd gut genug, um ihn zu heiraten!
„Eine Frau könnte ihm zu mehr Nachgiebigkeit verhelfen.“
„Ich habe weder vor, ihn umzumodeln noch mich von ihm verändern zu lassen“, protestierte sie gereizt.
„So war das nicht gemeint. In einer Ehe beeinflusst man einander jedoch automatisch. Man versucht nicht absichtlich, den anderen zu verbessern, aber im Zusammenleben schleifen sich einige raue Kanten ab. Du kannst das mit zwei Steinen vergleichen, die sich im Fluss des Lebens aneinanderreiben.“
„Das ist mir zu viel Philosophie am frühen Morgen! Da gehe ich lieber an die Arbeit.“ Sie erhob sich lächelnd, küsste ihren Vater zum Abschied und machte sich auf den Weg.
Im Büro stürzte sie sich sogleich in die Arbeit, die sie so liebte. Genau wie Vittorio! flüsterte eine leise Stimme in ihrem Inneren, doch Ana zog es vor, sie zu ignorieren. Wenigstens bis zum Mittagessen, so nahm sie sich vor, wollte sie weder über ihn noch seinen Antrag nachdenken.
Tatsächlich vergaß sie die Mahlzeit ganz und blickte erst wieder von ihren Akten auf, als es am späten Nachmittag an ihre Tür klopfte. Der Chauffeur, der sie am Vorabend nach Hause gefahren hatte, trat ein und lieferte ein Paket für sie ab.
Als er wieder gegangen war, saß sie einen Moment lang wie betäubt da und betrachtete die lange weiße Schachtel, um die ein lavendelfarbenes Seidenband geschlungen war. Rosen, dachte sie, das muss es sein! Vorfreude mischte sich mit Enttäuschung, denn Rosen, wie schön auch immer, waren ein einfallsloses Geschenk. Es bedurfte nicht viel Fantasie, um einer Frau Rosen zu schicken.
Ein wenig aufgeregt war sie dennoch, als sie die Schachtel öffnete. Sie hatte seit Jahren keine Blumen mehr erhalten. Aber Vittorio hatte ihr keine Rosen gesandt.
In dem Paket befanden sich Weinreben, jung und frisch, an denen perfekt geformte winzige Trauben hingen. Ana senkte den Kopf darüber und atmete den köstlich erdigen Duft der jungen Pflanzen ein. Zwischen den Blättern verborgen, entdeckte sie eine Karte. Sie zog sie heraus und las:
Dies ist eine neue Kreuzung aus den USA, die Dich vielleicht interessieren könnte.
Sie drehte die Karte mehrfach in den Händen, dann presste sie sie an die Lippen. Das feste Papier roch ein wenig nach der Weinpflanze. Überwältigt schloss sie die Augen. Dieses Geschenk war so viel besser als Blumen! Und darüber war sich Vittorio gewiss im Klaren.
War das seine Art, sie zu umwerben? Oder wollte er ihr lediglich die Vorteile seines Antrags vor Augen führen?
Letztendlich kam es darauf nicht an. Er hatte sich Gedanken gemacht, womit er sie erfreuen könnte, und ihren Geschmack genau getroffen.
Den Rest des Tages vergrub sie sich wieder in ihrer Arbeit, fest entschlossen, nicht mehr an ihn oder das Geschenk zu denken, das jetzt ihren Schreibtisch zierte. Dennoch verfiel sie immer wieder ins Grübeln.
Wenn ich ihn tatsächlich heiraten würde, wenn wir ein Kind bekämen? Würden wir glücklich miteinander werden?
Im Lauf der nächsten Woche ertappte sie sich mehrfach dabei, wie sie, das Kinn in der Hand, in einem Tagtraum gefangen dasaß, in dem sie sich eine wunderbare Zukunft an seiner Seite ausmalte. Im Geist zählte sie alle Gründe auf, aus denen eine Vernunftehe für sie infrage kam, ja geradezu eine ausgezeichnete Idee darstellte.
Vittorio ließ sich kein einziges Mal blicken, es verging jedoch kein Tag, an dem er ihr nicht eine Kleinigkeit sandte: einen Zeitungsartikel über eine neue Weinzüchtung, eine Tafel edler dunkler Schokolade – woher kannte er ihre geheime Schwäche –, einen Strauß Lilien. Sie begann, seine Aufmerksamkeiten zu schätzen, obwohl sie wusste, was er damit bezweckte, und ohne es sich vor sich selbst einzugestehen, sehnte sie sich nach ihm.
Als Ana knapp eine Woche nach dem Dinner im Schloss ihr Büro verließ, versank die Abendsonne gerade in einem Meer von Gelb und Rot hinter den Weinbergen. Der prächtige Sonnenuntergang brachte sie auf die Idee, die fünfhundert Meter bis zur Villa zu Fuß zu gehen. Vielleicht würde der kleine Spaziergang ihr helfen, ihre Gedanken zu sortieren. Von der unaufhörlichen Grübelei über ihre Zukunft schwirrte ihr der Kopf.
Vittorio eröffnete ihr Möglichkeiten, auf die sie nie zu hoffen gewagt hatte. Er bot ihr eine eigene Familie, ein eigenes Heim an. Falls sie seinen
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