Eine Braut fuer Lord Sandiford
sie dann auf den Gesellschaften gemieden.
Diese Aussicht erschreckte sie weniger, als sie das vor vier Jahren getan hätte. Damals schwindelte ihr vor Glück, da sie plötzlich die gefeierte Schönheit der Bälle gewesen war, der die Männer zu Füßen lagen. Doch inzwischen war es ihr beinahe gleichgültig geworden; die einzige Schwierigkeit, die sich für sie bei einem gesellschaftlichen Ausschluss ergeben konnte, war die Langeweile. Was sollte sie mit ihrer freien Zeit anfangen?
Ach, wenn sie doch nur eine Beschäftigung fände, die einen Wert besaß! Wenn sie doch endlich aufhören könnte, die Männer wegen der Chancen, die sich ihnen boten, zu beneiden und sich damit bescheiden würde, mit den wenigen Möglichkeiten, die einer Frau offen standen, zufrieden zu sein.
Sie dachte an Aubrey. Wenn sie sich die Vorzüge eines Lebens als Mutter ausmalte – die einzige traditionelle Frauenrolle, die ihr gefiel –, dann sollte sie vielleicht tatsächlich eine Ehe in Erwägung ziehen. Falls sie nach den hinterhältigen Andeutungen, die Lord John bestimmt über sie in Umlauf bringen würde, überhaupt noch irgendwelche Verehrer haben würde.
Sarah hatte Englemere gebeten, sich in seinen Clubs nach möglichem Klatsch über Miss Beaumont umzuhören. Clarissa wusste nicht, ob sie sich freuen oder ob sie betrübt sein sollte, als er nach zwei Tagen berichtete, dass er nur von einer Wette gehört hatte, auf die sich die furchtlose Miss Beaumont eingelassen hätte. Da man nicht mehr zu wissen schien, trug diese Geschichte nur noch zu ihrem Ruf als mutige junge Dame bei.
Sarah wollte sich auch unter ihren weiblichen Bekannten umhören und nahm deshalb eine Einladung von Lady Cowper zum Tee an. Nachdem die Gastgeberin eine Weile vergeblich versucht hatte, Einzelheiten über Clarissas Eskapade aus ihr herauszubekommen, schüttelte sie schließlich den Kopf, um dann zu erklären, wie sehr sie Miss Beaumont für ihre Abenteuerlust bewunderte.
Es schien ganz so, als ob Skandal und Ächtung nicht zu Clarissa passen würden. Zumindest noch nicht. Deshalb entschloss sie sich, am dritten Abend nach dem Ereignis mit einer unauffällig verbundenen Schulter wieder auszugehen. Sie wollte den Klatschbasen keinerlei Anlass geben, sich über ihr langes Fernbleiben zu wundern.
Sarah, der Clarissa jedes Detail des schrecklichen Abenteuers erzählte, lauschte aufmerksam, ohne sie zu unterbrechen. "Mein Gott, Clarissa. Du warst wieder einmal allzu verrückt!" war ihr einziger Kommentar.
Diese Kritik kam dem neu erwachten Gewissen ihrer Freundin zu mild vor. "Ich war eine Närrin. Ich hätte wissen müssen, dass etwas an dem Plan, den Weston ausgeheckt hatte, nicht stimmen konnte; aber ich war zu wütend …" Als sie an ihren Zorn dachte, erschien das Gesicht des Mannes, der diese Wut ausgelöst hatte, wieder vor ihrem inneren Auge.
"Wieso? Was war geschehen?"
"Dein wundervoller Oberst! Als Erstes gab er mir unmissverständlich zu verstehen, dass er meine Hilfe bei seiner Suche nach einer Frau nicht benötigte. Und dann erklärte er mir, dass er Damen aus adligem Kreis sowieso für zu eitel, töricht, unmoralisch und verschwenderisch hält, um sie in Betracht zu ziehen", berichtete Clarissa empört.
"Oh Clarissa! So hat er sich bestimmt nicht ausgedrückt!"
"Genau das waren seine Worte", erwiderte sie erhitzt.
Sarah lachte. "Ich hätte dich wohl vor ihm warnen sollen. Michael hat jahrelang einen Kampf mit der Verschwendungssucht seiner Mutter ausgefochten; sie hat damals eine wichtige Rolle bei unserer Trennung gespielt. Auch wenn sie und ich vor langer Zeit bereits Frieden miteinander geschlossen haben, befürchte ich, dass Michael ihr noch immer nicht vergeben hat. Ich hatte allerdings keine Ahnung, dass sein Hass unseren ganzen Stand mit einbezieht."
"Das tut er aber. Er gab mir sehr kühl zu verstehen, dass er nur eine Tochter aus Bürgerkreisen als Gattin in Betracht ziehen würde."
"Wenn das nicht typisch Mann ist!" Sarah schüttelte den Kopf. "Sich einfach auf so etwas zu versteifen! Er macht sich höchstwahrscheinlich keine Vorstellung davon, wie eine reiche Jungfer aus Bürgerkreisen sein kann. Wenn sich alle so benehmen wie die, denen ich begegnet bin, dann vermute ich, dass sie genauso eitel, oberflächlich und verschwenderisch sind wie wir."
"Wenn nicht sogar mehr", stimmte Clarissa zu.
"Aber wenn man die Auseinandersetzungen mit seiner Mutter berücksichtigt, verstehe ich durchaus, weshalb Michael so denken mag. Sobald
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