Eine Braut fuer Lord Sandiford
aufgedeckt, der als enttäuschter Verehrer von Lady Englemere ungute Gedanken hegte. Lord John Weston war damals Findlays Freund und ein Werkzeug dieses Racheplans gewesen. Waren die beiden Schurken vielleicht aus demselben Holz geschnitzt?
"Hat Weston Grund, besagter Person etwas Schlechtes zu wünschen?"
"Er findet sie höchst attraktiv – wer tut das nicht? Doch da sie zu ehrlich ist, um einen Mann zu verführen, den sie nicht mag, hat sie niemals versucht, ihre Verachtung für ihn zu verbergen. Ich befürchte, dass Weston, den ihre Ablehnung wohl ziemlich traf, vorhatte, sie in eine unangenehme oder sogar bedrohliche Lage zu bringen. Vielleicht, um sie zu demütigen."
"Er hätte sie umbringen können!" warf Sandiford ein.
"Das sicher nicht! Sein Verhalten mag durchaus unkorrekt sein, doch ich kann mir nicht vorstellen, dass Weston bösartig genug ist, ihr wirklich etwas antun zu wollen. Zum Glück kamen Sie ja rechtzeitig dazwischen. Ich glaube kaum, dass ich noch eine ruhige Minute gehabt hätte, wenn ihr dieser Schurke tatsächlich wehgetan hätte."
Sandiford dachte an Clarissas blutende Schulter, erzählte jedoch nichts davon. Zum einen fühlte er sich bereits schuldig genug; und zum anderen wollte sie, dass ihre Verletzung ein Geheimnis blieb. Warum also sollte er es enthüllen?
"Lord John wollte ihr also eine Lehre erteilen, meinen Sie?"
"Das befürchte ich. Als wir einer Gruppe von Bekannten begegneten, war es Weston, der die Männer dazu ermutigte, noch länger bei uns zu bleiben, so dass meine – unsere – Aufmerksamkeit für ein paar Augenblicke länger abgelenkt war, als es bei einer kurzen Begrüßung der Fall gewesen wäre."
"Dieser Schweinehund", murmelte Sandiford. "Ich danke Ihnen, Lord Alastair. Was Sie mir gesagt haben, ändert meine Meinung darüber, was gestern geschah. Ich vertraue darauf, dass kein Wort von den Ereignissen die Runde macht."
"Natürlich nicht. Außerdem werde ich Weston beobachten."
Nachdenklich blieb der Oberst sitzen, nachdem sich Alastair verabschiedet hatte. Auch wenn Miss Beaumont zweifelsohne tollkühn und töricht gehandelt hatte, so war sie anscheinend doch nicht so unvernünftig, wie er zunächst gedacht hatte. Schließlich hatte sie ihre Dummheit zugegeben. Was ihm noch bedeutsamer erschien, war die Tatsache, dass sie während der Fahrt nach Hause kein einziges Mal versucht hatte, ihr Verhalten zu entschuldigen oder zu erklären, obgleich er ihr gegenüber betont kühl gewesen war. Das musste er wahrhaftig bewundern.
Ein Mann, der eine Frau absichtlich in Gefahr brachte, hatte jedoch nichts anderes als Verachtung verdient. Selbst wenn ihn Miss Beaumont provoziert haben mochte – und Sandiford wusste, dass sie durchaus streitbar sein konnte –, so brauchte Weston unbedingt eine Lehre. Und dafür kannte er selbst bereits den richtigen Lehrmeister.
"Es tut mir Leid, dass ich mich verspätet habe", unterbrach Englemeres Stimme seine Rachefantasien. "Wie ich sehe, haben Sie bereits ein Glas Wein. Gut. Nehmen Sie es, und kommen Sie mit mir. Ich möchte Sie einem Freund vorstellen."
Englemere führte ihn in einen kleineren Raum. Die Clubmitglieder saßen in Grüppchen zusammen, unterhielten sich oder lasen in den Londoner Zeitungen. Sandiford hatte sich bisher stets für einen groß gewachsenen Menschen gehalten. Doch der blonde Mann, der sich nun erhob, um sie zu begrüßen, ragte um mehrere Zoll über ihn hinaus.
"Lord Sandiford, darf ich Ihnen Harold Waterman vorstellen? Harold, das ist der Gentleman, von dem ich Ihnen bereits erzählt habe."
Waterman verbeugte sich und streckte Sandiford dann eine Hand entgegen, die dessen lange Finger geradezu winzig aussehen ließ. Nach der Begrüßung setzten sich die drei Männer.
"Harolds Vater half mir, als ich mich in einer ähnlichen Lage wie Sie jetzt befand." Als Sandiford Englemere überrascht ansah, lachte der Marquess. "Wir haben mehr gemeinsam, als Sie vielleicht denken. Ich erbte damals einen Titel, aber keinerlei Güter. Obgleich ich mich anfangs durch Glücksspiele über Wasser hielt …" Sandiford schnitt unbewusst eine Grimasse, und Englemere winkte ab. "Ich habe nicht vor, Ihnen so etwas vorzuschlagen. Doch zufälligerweise hatte ich Glück …"
"Englemeres Glück", warf Waterman ein und nickte bedeutungsvoll, als ob das bereits alles erklären würde. "Das ist beinahe sprichwörtlich geworden."
Sandiford musste die Stirn gerunzelt haben, denn der Marquess fügte hinzu: "Harold meint damit,
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