Eine Braut fuer Lord Sandiford
er jedoch herausfindet, wie die Wirklichkeit aussieht, wird er seinen Plan vermutlich fallen lassen – es sei denn, er findet eine bescheidene und kluge Frau, die er lieben und bewundern kann. Und das wünsche ich mir für ihn von ganzem Herzen."
Clarissa verspürte plötzlich einen kleinen Stich der Eifersucht, als sie daran dachte, dass ein Mädchen eines Tages das Herz des Obersts gewinnen würde – samt dem Recht auf sein entwaffnendes Lächeln und seine starke Schulter, an die man sich lehnen konnte.
Niemals werde ich diese Frau sein, dachte Clarissa und verzog bei der Erinnerung an Sandifords entsetzte Miene, als er sie am Covent Garden erkannte, das Gesicht.
Wer behauptete außerdem, dass sie es sein wollte? Er hatte sie beleidigt, noch bevor sie ihm überhaupt einen Grund gegeben hatte.
Wen auch immer Lord Sandiford eines Tages zu heiraten gedachte – es hatte nichts mit ihr zu tun. Sie mochte in seiner Schuld stehen, aber er hatte ihr dennoch deutlich genug erklärt, dass sie ihm bei seiner Suche nach einer Gattin nicht behilflich sein musste.
Clarissa seufzte verärgert. Warum musste gerade der einzige faszinierende Mann, den sie seit Jahren kennen gelernt hatte, ein so hoffnungslos eigensinniger Starrkopf sein, der sie für eine Närrin hielt? Sie wollte ihn sofort aus ihren Gedanken verbannen, ob er nun in die höhere Gesellschaft zurückkehrte oder nicht.
Doch sie hatte recht wenig Erfolg damit, die sehnsüchtige Hoffnung in sich zu unterdrücken, dass er tatsächlich bald wieder auftauchen würde.
8. Kapitel
Nachdem er den ersten Schritt für die Sicherung seiner Zukunft getan hatte, spazierte Sandiford am nächsten Nachmittag in seiner besten Kleidung die kurze Strecke von seiner Wohnung zu einem ansehnlichen Stadthaus an der Upper Brook Street.
Er wurde von einem Butler in einen kleinen Salon geführt. Voller Ungeduld klopfte er mit den Fingern auf das Sofa, während er warten musste. Unterdessen überbrachte der Diener seine Visitenkarte der Dowager Viscountess Sandiford. Seiner Mutter.
Auf dem Weg hierher war er kurz bei seinem Notar vorbeigegangen, der ihm zu seiner Überraschung bestätigte, was ihm Sarah bereits erklärt hatte. Seine Mutter war in der Kutsche ihrer Gastgeberin nach London gekommen und hatte seit einem Monat keinerlei finanzielle Unterstützung mehr verlangt. Sie schien nicht einmal neue Kleider gekauft zu haben. Das war etwas so Ungewöhnliches, dass er sich aus einer Mischung aus Zynismus und Besorgnis fragte, ob es ihr vielleicht nicht gut ging.
Als er nach einer Weile das Rascheln von Röcken vernahm, schaute er auf. Nach seiner langen Abwesenheit fiel ihm noch deutlicher als zuvor auf, wie hinreißend seine Mutter noch immer aussah, obgleich sie inzwischen in mittleren Jahren war. Kaum eine Falte zeigte sich auf der feinen Haut um Mund und Augen; die türkisfarbenen Augen, die sie ihm vererbt hatte, waren noch immer so klar wie die seinen, und ihr goldblondes Haar zeigte keinen grauen Schimmer.
"Madam." Sandiford erhob sich und machte eine Verbeugung.
"M…Michael", erwiderte sie, wobei ihre Stimme leicht bebte. "Bitte setz dich doch." Sie ging zu dem Sofa, zögerte dann und ließ sich auf einem Sessel in der Nähe nieder.
Er beobachtete sie voll Bitterkeit und war doch auch belustigt über die Förmlichkeit, mit der sich ihr Wiedersehen abspielte. Er hätte genauso gut ein Kaufmann sein können, der eine Rechnung brachte.
Nachdem sie um Tee geklingelt hatte, schaute sie ihren Sohn endlich an. Ihre Augen schienen ihn zu verschlingen, ihn festhalten zu wollen. Ihr Blick erinnerte Sandiford an Sarahs Worte, wie sehr sich seine Mutter wegen seines Schweigens Sorgen gemacht hätte, und plötzlich rötete Scham seine Wangen.
"Du siehst wunderbar aus, Michael. Ein bisschen älter, ein bisschen … entschlossener. Es ist so schön, dich zu sehen. Danke, dass du gekommen bist."
Er rutschte peinlich berührt auf dem Sofa hin und her. "Sie sind so bezaubernd wie immer, Mutter. Ich wäre schon früher gekommen, wenn ich gewusst hätte, dass Sie in der Stadt sind."
Sie lächelte. "Ich habe dir von meinen Absichten geschrieben. Als man hörte, dass einige der Regimenter nach England zurückkehren würden, bat ich Lady Englemeres Gatten, herauszufinden, ob auch das Zehnte zurückerwartet wurde. Ich … ich habe mich so danach gesehnt, mit meinen eigenen Augen zu sehen, dass du unverletzt geblieben bist. Die Berichte über Waterloo waren furchtbar."
Für einen
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