Eine Braut fuer Lord Sandiford
Alexanders Bemerkung ließ Sandiford innerlich zusammenzucken. "Gutherzig? Der Sturz vom Pferd muss Ihnen den Verstand geraubt haben."
"Sie sind wirklich ein großer Zyniker."
Der Oberst schnaubte empört. "Ich gebe zu, dass sie berückend ist. Aber achten Sie darauf, dass Sie sich nicht von Ihrer Vernunft verabschieden."
Alexander sah ihn aufmerksam an. "Ich habe Sie noch nie zuvor so besorgt wegen einer Dame erlebt. Wissen Sie bestimmt, dass Sie selbst keine Absichten hegen?"
Sandiford zeigte sich erzürnt. "Ich? Natürlich nicht! Ich würde mich lieber auf einen Skorpion einlassen. Wenn Sie noch nicht die spitze Zunge dieser Dame erlebt haben, dann hatten Sie bisher Glück. Miss Beaumont ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, warum ich mich für eine kluge Frau aus dem Bürgerstand entscheiden werde. Dort wird es zumindest keine Narrheiten wie diesen lächerlichen Zweispänner und eine so rasante Fahrt durch einen vollen Park geben."
"Ganz wie Sie meinen."
Das hintergründige Lächeln, das nun auf Alexanders Gesicht erschien, gefiel Sandiford ganz und gar nicht. Bevor er jedoch eine geeignete Erwiderung ersinnen konnte, zuckte der Leutnant mit den Achseln. "Sie müssen tun, was Sie für richtig halten", sagte er mit einem Zwinkern in den Augen. "Aber ich finde die Aussicht, einige Zeit in der Gesellschaft einer so betörenden Frau zu verbringen, die eine Kutsche zu lenken vermag und wie der Wind reiten kann, überhaupt nicht unangenehm."
Plötzlich aufgeschreckt, erinnerte sich Sandiford an den großen schwarzen Hengst, den er vor Sarahs Tür gesehen hatte. "Sie werden doch nicht mit ihr ausreiten?"
"Sie hat mich nicht dazu eingeladen. Noch nicht …"
"Nun, wenn sie es doch tut und Sie nicht genug Verstand besitzen, abzulehnen, dann versuchen Sie zumindest nicht, es ihr gleichzutun", knurrte Sandiford.
Alexander sah in die Ferne und seufzte. "Sie müssen zugeben, dass es verdammt schwierig ist, vernünftig zu bleiben, wenn sie einen aus ihren smaragdgrünen Augen ansieht und ihr engelhaftes Lächeln aufsetzt."
Nun seufzte auch Sandiford. Das ist es tatsächlich, dachte er und stellte entsetzt fest, dass er gefährlich nahe daran gewesen war, dieses Eingeständnis laut zu äußern. Stattdessen sagte er: "Genau davor habe ich Sie gewarnt. Alexander, bis vor kurzem waren Sie doch noch so von Lady Barbara fasziniert. Vielleicht vermögen Sie augenblicklich nicht klar zu denken. Passen Sie auf! Ich möchte nicht, dass Sie sich noch einmal verletzen – in welcher Hinsicht auch immer."
Ein Lächeln, dem Sandiford keinen Glauben schenkte, erschien auf Alexanders Gesicht. "Aber was für ein Fall wird es diesmal sein!"
Das Eintreffen einer Mietdroschke verhinderte, dass der Oberst antworten konnte. Er entschloss sich, die Angelegenheit zunächst auf sich beruhen zu lassen. Wahrscheinlich war es das Beste, nicht zu sehr darauf zu dringen, dass der Leutnant seine Verbindung zu Miss Beaumont einschränkte. Vielleicht würde er ihn sonst unabsichtlich noch mehr in die Arme dieser Dame treiben, weil sich Alexander dann dazu aufgerufen fühlte, ihre Tugenden vor ihm zu verteidigen.
Den ganzen Nachmittag über fühlte sich Sandiford seltsam unzufrieden. Sobald er den Leutnant vor seinem Haus abgesetzt hatte, kehrte er in Gedanken zu den Ereignissen zurück, deren Zeuge er geworden war.
Was war die Ursache für seinen Zorn? Warum ärgerte er sich so sehr über die Vertrautheit zwischen Lord Standish und dieser Frau? Alexander hatte die Fahrt schließlich unverletzt überstanden; außerdem schien er noch nicht gänzlich dem Charme von Miss Beaumont erlegen zu sein. Zum ersten Mal seit der Rückkehr nach London hatte der Leutnant nicht nur ausschließlich von Lady Barbara und seiner Enttäuschung gesprochen. Sollte sich Sandiford nicht darüber freuen?
Alexanders Fahrt durch den Park mit einer tonangebenden Schönheit wie Miss Beaumont konnte sein Ansehen bei den Wohlhabenden und Schönen dieser Stadt nur erhöhen. Das hatten die bewundernden Blicke der jungen Damen und ihrer Mütter deutlich zum Ausdruck gebracht. Obgleich der Leutnant bei Miss Beaumonts Lob errötet war, so hatte er sich über das Kompliment doch sehr gefreut.
War Sandiford zu sehr um Alexander besorgt? Und hatte er sich vielleicht tatsächlich eher auf die Beschränkungen des jungen Mannes konzentriert als auf seine Stärken, wie ihm das Miss Beaumont vorwarf? Er versuchte, die ganze Angelegenheit sachlich zu beurteilen, und nicht wie ein Mann,
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