Eine Braut von stuermischer Natur
einem Duell des Wissens herausfordern, um zu beweisen, dass Frauen ebenso klug sind wie Männer«, provozierte sie ihn.
»Ein Duell des Wissens?«, wiederholte er. Verwirrung zeichnete sich auf seinen Zügen ab. »Und wie würde sich ein solches Duell gestalten, Mylady?«
Murie biss sich auf die Lippe, ehe sie kleinlaut zugab: »Ich weiß noch nicht recht … Und dennoch – trotz meiner beschränkten geistigen Fähigkeiten werde ich mir etwas ausdenken und es Euch wissen lassen.«
Mehr hatte sie ihm weiß Gott nicht zu sagen. Sie drehte sich auf dem Absatz um und eilte an Emilies Seite.
»Ich denke, es wird langsam ungemütlich hier draußen, Emilie«, erklärte sie, als ihre Freundin sie forschend musterte. »Ich glaube, ich kehre um.«
»Ich komme mit«, sagte Emilie sofort.
»Wir auch«, rief Lauda, die sich von Osgoode losriss. Sie winkte ihren Bruder zu sich und folgte den beiden jungen Frauen, als diese den Weg zum Schloss einschlugen.
»Was ist mit Lord Gaynor? Begleitet er Euch denn nicht, Mylady«, erkundigte sich Malculinus mit unverhohlener Neugier, sobald er sich an Muries Seite geschlagen hatte.
»Das entzieht sich meiner Kentnnis«, antwortete Murie wahrheitsgemäß.
»Habe ich das vorhin richtig verstanden?«, begann Lauda unverblümt. »Du bist dir also sicher, dass du keinen Traum hattest.«
»Wie oft soll ich es denn noch wiederholen, Lauda«, entrüstete sich Murie. »Ich bin mir da ganz sicher.«
»Verzeih mir, dass ich so töricht war und noch einmal nachgefragt habe. Weißt du, ich fühle mich sooo scheußlich. Wir haben beide von dem verdorbenen Fleisch gegessen, dennoch bin ich die Einzige, die einen Traum hatte. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich dich dazu überredet habe. Zumal da wohl unterschiedliche Ansichten kursieren, was es mit dem verdorbenen Fleisch tatsächlich auf sich hat.«
Unversehens blieb Murie stehen und wirbelte zu ihr herum. »Wovon sprichst du da? Unterschiedliche Ansichten?«
Lauda räusperte sich nervös, ehe sie gestand: »Hmm ja, eine der Hofdamen, die von unserem nächtlichen Experiment erfuhr, ist hinlänglich davon überzeugt, dass es sich mit der Legende von der Heiligen Agnes folgendermaßen verhält: Wenn du den ganzen Tag fastest, träumst du von deinem Zukünftigen, aber wenn du verdorbenes Fleisch isst, dann träumst du von dem Mann, den du nicht heiraten solltest.«
»Was?« Muries Augen weiteten sich vor Entsetzen.
»Ja, du hast richtig gehört.« Lauda nickte bekräftigend. »Es ist auch nicht weiter von Belang, zumal du von niemandem geträumt hast. Wie bedauerlich, dass du das verdorbene Fleisch gegessen hast. Deine Mühen waren vollkommen umsonst.«
»Ich kann mich nicht entsinnen, dass es so sein soll.« Emilie legte nachdenklich die Stirn in Falten. »Ich erinnere mich nicht, dass die Legende irgendetwas von einem Mann besagt, den man nicht heiraten soll.«
»Ich offen gestanden auch nicht«, räumte Lauda ein. »Ich wusste aber auch nur dunkel um die Erwähnung von dem verdorbenen Fleisch. Die Hofdame beharrt darauf, dass sie sich mit der Legende auskennt und sich nicht irrt. Jedem Tierchen sein Pläsierchen«, sie winkte ab. »Da Murie nichts geträumt hat, spielt es ohnehin keine Rolle.«
»Ganz recht«, versetzte Emilie mit Entschiedenheit. Sie warf einen forschenden Blick zu Murie. Nach ihrer Rückkehr ins Schloss sagte sie gespielt fröhlich: »Wir sind da! Ach, Murie, du musst kurz mit zu mir hochkommen, ja? Ich habe noch ein Geschenk für dich.«
»Aber gerne«, antwortete Murie geistesgegenwärtig, ungeachtet der Tatsache, dass sie das Geschenk schon bekommen hatte. Es war offensichtlich, dass Emilie ein vertrauliches Gespräch mit ihr suchte. Zudem war Murie heilfroh, von Lauda und Malculinus Aldous erlöst zu werden. Sie brauchte Zeit zum Nachdenken, denn ihr Kopf fuhr Karussell. Sie hatte von Balan und seinem leidenschaftlichen Kuss geträumt und fest angenommen, der junge Mann würde ihr Gemahl werden. Aber dann hatte er sich darüber ausgelassen, dass Frauen gefühlsbetont seien und geistig unterbelichtet, und das hatte sie verstimmt … doch wiederum nicht so verstimmt, dass er als Ehekandidat für sie augenblicklich ausgeschieden wäre.
Nach einem gemurmelten »Schönen Tag noch« zu den Geschwistern Aldous schob Emilie ihren Arm unter Muries und geleitete sie zur Treppe.
Schweigend stiegen sie die Stufen zum oberen Geschoss hinauf. Murie blieb nicht verborgen, dass Emilies Blick halb besorgt, halb
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