Eine Braut von stuermischer Natur
forschend auf sie geheftet war. Schließlich sagte ihre Freundin: »Der Spaziergang war wohl kein Erfolg, oder? Habt ihr euch wenigstens einigermaßen nett unterhalten?«
»Von wegen«, knurrte Murie mürrisch. »Anfangs bekam er die Zähne nicht auseinander. Der Mann war stumm wie ein Fisch. Als ich ihn darauf ansprach, kam er mir damit, dass er es mühsam findet, mit Frauen zu plaudern, weil sie ihm zu gefühlsbetont sind. Außerdem hätten sie nicht den Elan und die Intelligenz von Männern, meinte er allen Ernstes.«
»Was sagst du da? Eigenartig, als er Reginald und mich besuchte, hat er sich angeregt mit mir unterhalten.«
»Vielleicht bist du die Ausnahme von der Regel«, seufzte Murie.
Einvernehmlich schweigend nahmen sie die restlichen Stufen. »Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Du hast ihn gewiss falsch verstanden, Murie.«
»Nein, mitnichten.«
Emilie schüttelte den Kopf. »Dann wollte er dich gewiss ein bisschen provozieren, anders weiß ich mir das nicht zu erklären.« Als Murie darauf nichts erwiderte, fuhr sie fort: »Liebes, ich kann dir nur raten, vergiss diesen Aberglauben. Was Lauda uns da aufgetischt hat, ist hanebüchener Unfug.«
»Ach nein, auf einmal hältst du das alles für Unfug? Und wieso hast du mich Balan vorgestellt, nachdem du von meinem Traum erfahren hast?«, hakte Murie nach.
»Weil ich ihn kenne, und als du ihn erwähntest, kam mir sogleich der Gedanke, dass er gut zu dir passen würde. Er ist ein unbescholtener, angenehmer junger Mann und auf der Suche nach einer Frau. Lord Balan braucht eine Braut mit genügend Vermögen, um Gaynor Castle wieder zu seinem einstigen Glanz zu verhelfen. Das sind Tatsachen. Mit Aberglaube hat das weiß Gott nichts zu tun«, versicherte sie. »Murie, du kannst eine lebenswichtige Entscheidung wie eine Heirat doch nicht von einer zweifelhaften Heiligenlegende abhängig machen. Neulich hast du mir anvertraut, dass dir die Einschätzung Probleme bereitet, wer von den Junggesellen bei Hofe letztlich zu dir passen könnte. Ich kenne mich mittlerweile recht gut aus, und Balan ist in der Tat ein Goldschatz. Ich glaube, ihr beide würdet euch hervorragend ergänzen, und du weißt, ich liebe dich wie eine Schwester und würde dich nie anlügen.«
Murie atmete tief durch, bevor sie kleinlaut bekannte: »Ich habe ihn zu einem Duell herausgefordert.«
»Bist du von Sinnen!?«, entfuhr es Emilie. Entsetzen zeichnete sich auf ihren Zügen ab.
»Nicht mit Schwertern oder dergleichen«, erklärte ihre Freundin eilig. »Nein, ein Duell des Wissens.«
»Oh …« Emilies Miene entkrampfte. »Und was genau soll das sein?«
»Ich bin mir nicht sicher. Aber ich lasse mir etwas einfallen.«
»Duell des Wissens, das klingt gut. Damit hast du einen Vorwand, seine Lordschaft wiederzusehen. Überdies gibt es euch beiden Gelegenheit, euch besser kennenzulernen.« Sie nickte bekräftigend. »Ja, das ist gar nicht übel. Meine Unterstützung hast du. Aber bitte, Murie, glaube mir eins, er wollte dich gewiss nicht kränken oder bloßstellen. Mich behandelt er immer mit dem größten Respekt. Ich kann mir vieles vorstellen, aber beileibe nicht, dass er Frauen geringschätzt.«
»Gut, ich merke es mir«, murmelte Murie, tief betrübt ob des Umstands, dass sie die St.-Agnes-Legende möglicherweise falsch ausgelegt hatten und der Traum von Balan ebenso bedeuten konnte, sie solle den Gentleman als Heiratskandidaten verschmähen. Angesichts ihrer heillosen Verwirrung hielt sie es für eine fabelhafte Idee, jene Person ins Vertrauen zu ziehen, die bei Hofe für ihre Weisheit und Weltklugheit bekannt war: Becker, der engste Berater ihres Patenonkels. Es war ausgeschlossen, dass sie schnurstracks zu Becker lief und ihm ihr Herz ausschüttete. Wenn Seine Majestät davon Wind bekäme, dass sie seinen Berater für lebensklüger hielt als ihn, dann wäre er gewiss verstimmt. Folglich beschloss sie, dem König einen Besuch abzustatten, wenn Becker auch bei ihm weilte. Zufällig und unverfänglich. Dann wollte sie schauen, was die beiden zu dem Thema zu berichten hätten.
»Kommst du?«, fragte Emilie, die bemerkte, dass Murie stehen geblieben war.
Ihre Freundin rang sich ein Lächeln ab und nickte abwesend. Sie nahm sich fest vor, den König und Becker bei nächster Gelegenheit aufzusuchen, und sich darüber in Stillschweigen zu hüllen. Emilie brauchte nicht zu erfahren, dass sie die Auslegung der Heiligenlegende überprüfen wollte. Zumal Muries Aberglaube für
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