Eine Braut von stuermischer Natur
tastete behutsam die Haut um ihren Knöchelbereich ab, bis sie leise aufstöhnte.
»Also gebrochen ist er nicht«, murmelte er. »Aber er schwillt an.«
»Ach, nicht der Rede wert«, wiegelte sie ab, in der Hoffnung, er würde endlich ihren Fuß loslassen.
Doch da irrte sie gewaltig. Er hielt ihn fest und spähte unschlüssig zu ihr hoch. Dann räusperte er sich umständlich und meinte: »Heute Nachmittag bei unserem Spaziergang habt Ihr mich missverstanden, Lady Murie. Vielleicht habe ich mich auch falsch ausgedrückt«, schob er eilig nach, als sie ihre Augen zusammenzog. »Ich wollte Euch lediglich erklären, dass ich Frauen komplizierter und kultivierter finde als Männer. Wir Männer sind einfach gestrickte Geschöpfe mit einfachen Bedürfnissen und einfachen Gesprächen. Frauen hingegen neigen zu Diskussionen, die … ähm … gefühlsgeprägter sind. Sie wünschen sich – so habe ich mir sagen lassen – Schwüre von unsterblicher Liebe und Komplimente über ihre Schönheit, und auf dem Gebiet bin ich wahrlich nicht bewandert. Und da ich die Damen weder unbeabsichtigt brüskieren noch mit meinem Schweigen langweilen möchte«, setzte er mit einem schiefen Grinsen hinzu, »mache ich vorsichtshalber einen Riesenbogen um jedes weibliche Wesen. Ich bin eben ein miserabler Unterhalter.«
Muries Miene hellte sich auf, denn sie schöpfte wieder Hoffnung. »Emilie ist der Ansicht, dass Ihr mich gewiss nicht verunglimpfen wolltet.«
»Nein, danach steht mir wahrlich nicht der Sinn.«
»Wir haben lange darüber nachgedacht … Ihr wisst schon, das Duell des Wissens.« Sie schenkte ihm ein huldvolles Lächeln.
»So, habt Ihr das?« In seiner Stimme schwang Belustigung. »Und was ist dabei herausgekommen?«
»Eine Partie Schach«, erklärte sie. »Ich bin recht gut, besser gesagt, früher war ich recht gut. Ich habe schon länger nicht mehr gespielt. Der König lässt sich nicht mehr auf eine Partie mit mir ein, weil ich ihn immerzu besiege.«
Balans Augen wurden groß wie Unterteller, dann warf er den Kopf zurück und lachte angenehm tief.
Murie prustete los, obwohl sie sich nicht wirklich sicher war, was er daran so lustig fand. Sein Lachen war so ansteckend, dass sie einfach mitlachen musste.
Als er sich wieder gefasst hatte, meinte er: »Ich würde sehr gerne eine Partie Schach mit Euch spielen, Mylady. Ich genieße dieses Spiel, vor allem die Herausforderung.«
»Dann werde ich mein Bestes tun, Euch herauszufordern«, gab sie zurück.
Der junge Lord erhob sich von der Bank. »Und jetzt …«, begann er und bot ihr seinen Arm. »Wenn Euer Knöchel sich soweit erholt hat, werde ich Euch zu Eurem Zimmer geleiten.«
Murie, die gleichfalls aufgestanden war, schob ihre Hand unter seinem Ellbogen hindurch und war erstaunt, wie selbstverständlich sich das anfühlte. Schweigend schlenderten sie zum Schloss zurück, und dieses Mal war es einvernehmlich, denn sie verspürte nicht das Bedürfnis nach einer Unterhaltung – seine Gesellschaft genügte ihr. An ihrer Tür wünschten sie einander eine gute Nacht. Dann glitt sie in ihre Kammer, ein kleines Lächeln auf den Lippen.
»Mylady.« Cecily, ihre Kammerfrau, trat zu ihr und musterte sie forschend. »Habt Ihr Euch gut amüsiert auf dem Ball?«
»Nicht unbedingt«, räumte sie ehrlich ein.
Die Augenbrauen der Zofe schoben sich hoch. »Aber … aber Ihr lächelt.«
»Ja, gewiss.« Sie zuckte mit den Schultern und lachte weich. »Ich war nachher noch im Park spazieren und habe dort zufällig Lord Balan getroffen.«
»Lord Gaynor?«, fragte ihre Kammerfrau bestürzt.
»Du hast es erfasst.«
»Ach Mylady«, hauchte Cecily und biss sich erschrocken auf die Unterlippe. Schweigend nahm sie ihrer Herrin den Umhang ab.
»Was ist denn, Cecily?«, bohrte Murie, neugierig geworden.
»Ja also … als ich gestern Abend ging, fiel mir auf, dass Lord Gaynor draußen im Gang herumlungerte, zusammen mit Lord Osgoode. Da habe ich mich schon gefragt …«
»Was?«, versetzte Murie scharf. »Was hast du dich gefragt?«
»Ach, nichts.« Die Zofe schüttelte den Kopf. Sie faltete den Umhang zusammen, dann half sie ihrer Herrin aus der Abendrobe und murmelte: »Ich habe heute mit Mydrede gesprochen.«
»So, hast du das?«, erkundigte sich Murie, in Gedanken weiter bei dem, was Cecily zuvor angedeutet hatte.
»Ja, ich habe sie gefragt, wie Ihr herausfinden könnt, wer Euer Gemahl werden soll.«
Murie nickte zerstreut. Es fiel ihr schwer, sich auf das Gespräch zu
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