Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)
ich das Richtige getan habe, und mir dann hoffentlich verraten, was ich jetzt tun soll. Dann aber fällt mir ein, dass der Schauspielkurs wegen der alljährlichen Examensarbeiten früher geendet hatte und sie deshalb schon nach Südfrankreich abgedampft ist.
Vielleicht sollte ich es genauso machen. Vielleicht sollte ich einfach eine Zeit lang verschwinden, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Die Mongolei soll um diese Jahreszeit sehr schön sein. Wie lange ich wohl zum Packen brauche?
Er kommt nach zwanzig Minuten der Panik. In der Zwischenzeit habe ich zweimal einen Koffer ein- und wieder ausgepackt. Zweimal habe ich beschlossen, die Flucht zu ergreifen, und zweimal, zu bleiben und alles durchzustehen. Gerade bin ich in einer Durchstehphase, doch mein Mut sinkt bedrohlich, als ich Richard vorfahren sehe.
Da er nie allein in den Kampf zieht, hat er zum Aufmarsch geblasen. Voller Entsetzen sehe ich, dass sein fetter metallicgrauer BMW voll bis unters Dach ist.
Auf dem Beifahrersitz kauert meine Mutter wie ein boshafter kleiner Vogel, dessen Federn reichlich zerzaust sind. Meine Schwester, die süchtig nach Seifenopern ist und ein ordentliches Melodrama schon immer zu schätzen wusste, sitzt hinter Richard. Ihre Wangen glühen vor Aufregung und Besorgnis.
Sogar mein armer Dad ist vom Frühstückstisch fortgerissen worden und trägt noch seine karierten Pantoffeln. Es hätte mich nicht gewundert, wenn Roger, der fette, aber liebenswerte Labrador meines Vaters, hechelnd aus dem Fenster geschaut hätte.
Ich beobachte ihre Ankunft vom Wohnzimmerfenster aus. Ich kann es nicht fassen, dass Richard meine Familie anschleppt. Und ich kann es nicht fassen, wie gelähmt vor Angst ich beim Anblick meiner Mutter bin. Es ist traurig zu wissen, dass ich zwar achtundzwanzig und vor neun Jahren zu Hause ausgezogen bin, aber immer noch Angst vor ihr habe. Ich bin versucht, sie gar nicht erst hereinzulassen. Ich könnte so tun, als sei ich nicht da. Oder ich könnte versuchen, über die wackelige eiserne Feuertreppe zu fliehen, die hinunter in den Hof und die Freiheit führt.
Oder ich tue doch so, als sei ich nicht da.
Da mir das bei weitem als die beste Alternative erscheint, flitze ich zum hinteren Teil meiner Wohnung, um mich im Schlafzimmer zu verkriechen.
Nachdem Richard fünf Minuten an der Haustür Sturm geklingelt hat, fällt ihm ein, dass er einen Schlüssel hat. Ich höre, wie sie über die Holztreppe in den ersten Stock hinaufsteigen. Es klingt wie ein nahender Militärtrupp. Jedes Knacken eines Schuhs auf den Eichenbohlen dröhnt in meinem armen, schmerzenden Kopf wie ein Gewehrschuss.
Ich beschließe zum dritten Mal auszubüchsen.
Ich lege einen Sprint hin, der diverse Olympiaanwärter blass aussehen ließe, stürze zu einem der Schlafzimmerfenster und rüttele verzweifelt am farbverkrusteten Fensterrahmen, einem hartnäckigen Hindernis, das sich zwischen mich und die Freiheit versprechende Feuertreppe stellt.
Jetzt stehen sie vor der Wohnungstür. Ich kann hören, wie sie mit dem klemmenden Schloss kämpfen. Hätte ich doch nur den Riegel vorgelegt. Doch dann wäre offensichtlich gewesen, dass ich zu Hause bin, obwohl ich so getan habe, als sei ich es nicht.
Die Tür gibt nach, und meine Mutter stürzt herein wie ein leibhaftiger Geier auf Beutejagd. Sie ruft meinen Namen mit einer tiefen, heiseren Stimme, die mehr als nur ein wenig an Margaret Thatcher erinnert und jetzt obendrein genauso bedrohlich klingt. Endlich geht das Fenster auf.
Als Richard und seine Truppen ins Schlafzimmer platzen, begrüße ich sie mit einem zaghaften Lächeln vom Fensterbrett aus, auf dem ich mit gespreizten Beinen balanciere. Am linken Fuß trage ich einen rosa Turnschuh, am anderen einen Pantoffel, der geradezu unheimlich nach einem Zigarre rauchenden Jimi Hendrix aussieht. Ich habe noch immer meinen Morgenmantel an, der peinlicherweise offen steht, und ich trage keine Unterhose. Jimi Hendrix verabschiedet sich von meinem Fuß, segelt abwärts und landet verkehrt herum in einer Pfütze Dreckwasser im regennassen Garten unter mir. Ich blicke ihm in der dumpfen Vorahnung hinterher, dass ich ihm vielleicht bald folge, da in Mutters Augen pure Mordlust blitzt. Ihr eisiger Blick sagt mehr als tausend beleidigende Worte.
Es wird eine lange Sitzung.
Richard ist gönnerhaft und glaubt mir kein Wort.
Sally ist den Tränen nahe, weichherzig und glaubt mir kein Wort. Sie ist hin- und hergerissen zwischen dem Bedürfnis, mich zu
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